Antikoagulation kann bei COVID-19-Patienten die Krankenhaussterblichkeit senken und die Prognose verbessern. Zu diesem Schluss kommt eine retrospektive Studie aus New York mit fast 4.400 Patientinnen und Patienten.

Mittlerweile zeigen mehrere Untersuchungen an COVID-19 Patienten ein deutlich aktiviertes Blutgerinnungssystem mit erhöhtem Risiko für thrombo-embolische Komplikationen wie z.B. Pulmonalembolien. In Autopsie-Studien wurden zahlreiche Fibrinthromben in der Mikrozirkulation der Lunge, aber auch in anderen Organen, nachgewiesen. Die Mikrothrombosen in alveolären Kapillaren der Lunge dürften eine Hauptursache der beobachteten schweren Gasaustauschstörungen bei kritisch kranken COVID-19 Patienten sein.

In der vorliegenden Untersuchung konnte gezeigt werden, dass hospitalisierte COVID-19-Patienten, die eine präventive oder therapeutische Antikoagulation erhielten, deutlich seltener intubiert werden mussten und ein signifikant vermindertes Sterberisiko hatten.

Zu diesem Schluss kommt eine retrospektive Datenstudie, an der fünf New Yorker Krankenhäuser beteiligt waren. Zwischen 1. März und 30. April 2020 wurden insgesamt 4.389 stationär aufgenommene COVID-19-Patienten (Medianes Alter = 65 Jahre) erfasst. 900 Patienten erhielten eine therapeutische, 1.959 eine prophylaktische und 1.530 keine Antikoagulation. 10% der Patienten waren mit Thrombozytenfunktionshemmern oder neuen oralen Antikoagulanzien prämediziert.

Gehemmte Blutgerinnung könnte COVID-19-Überlebenschancen erhöhen

Die Datenanalyse ergab, im Vergleich mit COVID-19 Patienten ohne Antikoagulation, ein um 50 Prozent vermindertes Risiko für Krankenhaussterblichkeit unter Therapie mit prophylaktischer Antikoagulation (Hazard-Ratio HR 0,50; 95%- Konfidenzintervall KI 0,45–0,57; p< 0,01). Eine therapeutische Antikoagulation führte zu einem ähnlichem Ergebnis.

Das Risiko für eine Intubation im Verlauf der Erkrankung war bei therapeutischer Antikoagulation um 31 Prozent und bei prophylaktischer Antikoagulation um 28 Prozent vermindert.

Die Rate schwerwiegender Blutungen war gering: Sie betrug drei Prozent bei therapeutischer Antikoagulation, 1,7 Prozent bei prophylaktischer Antikoagulation und 1,9 Prozent bei Patienten ohne Antikoagulation.

Kommentar von ÖGARI President elect Prim. Univ.-Prof. Dr. Walter Hasibeder:

„Bei einer SARS-CoV-2-Infektion treten, vor allem bei den am schwersten Erkrankten, massive Gerinnungsstörungen auf, die mit Multiorganversagen sowie thromboembolischen Komplikationen einhergehen. Mittlerweile zeigen mehrere Observationsstudien positive Outcome-Effekte einer frühzeitigen Antikoagulation bei COVID-19. Derzeit werden Untersuchungen durchgeführt inwieweit Patienten mit schweren Gasaustauschstörungen von einer Lysetherapie, topisch oder systemisch verabreicht, profitieren können.

Die vorliegende Untersuchung zeigt, trotz eines sehr heterogenen Patientenguts, beeindruckende Effekte einer frühzeitigen Antikoagulation auf die Sterblichkeit und das Risiko im Verlauf einer COVID-19 Erkrankung intubiert zu werden. Heterogen ist das Patientengut, weil letztlich nur zehn Prozent so schwer erkrankt sind, dass sie intubiert und mechanisch beatmet werden mussten. Aber ein weiterer Aspekt der Arbeit ist für uns Intensivmediziner interessant: Patienten die systemisch antikoaguliert wurden, waren deutlich älter, mehr vorerkrankt, hatten höhere Inflammationsparameter und D-Dimer Serumkonzentrationen verglichen mit Patienten unter prophylaktischer Antikoagulation. Man würde sich gerade bei diesen Patienten eine deutlich erhöhte Mortalität erwarten. Dies war aber nicht der Fall. Die Sterblichkeit war ähnlich der jüngeren, gesünderen Patienten mit prophylaktischer Antikoagulation.

Auch wenn wir uns natürlich prospektive Studien zum Thema Antikoagulation bei COVID-19 wünschen würden sind, aus meiner Sicht, in absehbarer Zeit keine Publikationen mit ausreichend großen und homogenen Patientenkollektiven zu erwarten. Wir haben auf unserer Intensivstation bei intubierten beatmeten COVID-19 Patienten frühzeitig mit therapeutischer Antikoagulation begonnen. Der Grund war die klinische Beobachtung schwerster Mikrozirkulationsstörungen der Haut vor allem an den Fußsohlen der Patienten. Unter Antikoagulation kam es zu einer raschen Besserung dieser Veränderungen meist innerhalb von 24 bis 48 Stunden. Wir werden diesen Weg weiter verfolgen.“

Quelle

Nadkarni GN, et al. Anticoagulation, Mortality, Bleeding and Pathology Among Patients Hospitalized with COVID-19: A Single Health System Study. J Am Coll Cardiol. 2020. DOI:10.1016/j.jacc.2020.08.041