ÖGARI Präsident elect Prim. Univ.-Prof. Dr. Walter Hasibeder fasst hier einige wichtige aktuelle Studien zu SARS-CoV-2 und zur Behandlung von Patientinnen und Patienten mit schweren COVID-19-Erkrankungen zusammen.

Infektionsausbruch auf der U.S.S. Theodore Roosevelt

Im NEJM (DOI: 10.1056/NEJMoa2019375) erschien kürzlich der Bericht über einen Infektionsausbruch mit dem SARS-CoV-2 Virus auf dem Flugzeugträger U.S.S. Theodore Roosevelt, der sich zu diesem Zeitpunkt auf einem Manöver im Südpazifik aufhielt. Dieses Schiff beherbergt 4.779 Personen als Besatzung. Das mittlere Alter der Crew beträgt 27 Jahre. Innerhalb von 5 Wochen nach dem ersten nachgewiesenen Infektionsfall (PCR-positiv) waren mehr als die Hälfte der Crewmitglieder infiziert. 55 Prozent aller Infizierten entwickelten im Laufe ihrer Erkrankung COVID-19-Symptome. 23 junge Soldatinnen und Soldaten mussten wegen schwerer Symptome hospitalisiert werden, 4 Personen benötigten Intensivtherapie und ein Mensch starb an den Folgen der Erkrankung.

Das Besondere an diesem Bericht ist die rasche Ausbreitung einer SARS-CoV-2-Infektion unter jungen, gesunden und sicherlich gut trainierten Personen, die in räumlich beengten Verhältnissen zusammen leben müssen. Die Tatsache, dass immerhin 55 Prozent der Infizierten zu irgendeinem Zeitpunkt ihrer Erkrankung auch Symptome entwickelten, widerspricht diametral der langläufigen Meinung, dass junge Menschen ohnehin keine COVID-19-Erkrankung entwickeln würden.

Risiko für Schwangere

Die CDC berichten in ihrem MMWR Morb Mort Wkly Rep 2020 (DOI: 10.15585/mmwr.mm6944e2), dass Schwangere mit SARS-CoV-2-Infektionen eine leichte Steigerung des Risikos für Frühgeburten aufweisen. In dieser Arbeit wurden Daten des SET-NET (Surveillance for Emerging Threats to Mothers and Babies Network) zwischen März und Oktober diesen Jahres näher analysiert. Insgesamt wurden 5.252 mit SARS-CoV-2 infizierte Schwangere identifiziert. Die höchste Infektionsrate fand sich im letzten Schwangerschaftsdrittel. 14 Prozent der Infizierten waren symptomatisch. Insgesamt gab es bei infizierten Frauen in 13 Prozent der Fälle eine Frühgeburt, während bei „gesunden“ Schwangerschaften die Rate der Frühgeburten bei 10,2 Prozent lag.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass systemische Infektionen generell die Frühgeburtenrate erhöhen. Dieser Zusammenhang wurde schon früher berichtet. Allerdings wiederlegt auch dieser Report die oft geäußerten Meinungen, dass COVID-19 für Schwangere und ihre Babies völlig ungefährlich wäre.

In diesem Zusammenhang sind auch die Ergebnisse einer Untersuchung aus Mexiko zu sehen (Obstet Gynecol 2020; DOI: 10.1097/AOG.0000000000004140). Hier wurde das Sterberisiko der Mütter im Rahmen einer Schwangerschaft mit und ohne Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus untersucht. Von 523 Todesfällen im Rahmen einer Schwangerschaft im Jahr 2020 waren 42,4 Todesfälle pro 100.000 Schwangerschaften über der „durchschnittlichen oberen Anzahl“ der über die Jahre gemeldeten Todesfälle. 32% der Todesfälle wurden im Zusammenhang mit einer akuten respiratorischen Erkrankung gemeldet. Im Gegensatz dazu lag der Anteil der schwangeren Frauen, die in den Jahren 2011 bis 2019 an akuten Atemwegsinfektionen verstorben sind bei 1,6% bis 10,3%. In Mexiko ist die COVID-19 Erkrankung damit zur häufigsten Todesursache im Rahmen von Schwangerschaften geworden.

Nichtinvasive und invasive Beatmung

Wann nützt die CPAP Therapie dem Patienten mit COVID-19 Pneumonie und wann ist der richtige Zeitpunkt an eine Intubation zu denken? Mit dieser Frage beschäftigt sich eine kleine retrospektive Observationsstudie aus England, die auf Daten beruht, die zwischen März und Juni in einem NHS-Krankenhaus erhoben wurden (BMJ Open Resp Res doi: 10.1136/bmjresp-2020-000692). Dabei wurden 2 Gruppen zu je 106 Patientinnen und Patienten mit und ohne CPAP-Therapie bei schwerer COVID-19-Pneumonie miteinander verglichen. Eine früh begonnene CPAP-Therapie war bis zum 7. Tag nach Hospitalisierung mit einer verminderten Mortalität assoziiert. Eine CPAP-Therapie, die erst nach dem 7. Tag der Hospitalisierung begonnen wurde, war mit erhöhter Sterblichkeit verknüpft. Wenn die CPAP-Therapie innerhalb von 4 Tagen nach Aufnahme wegen schwerer COVID-19-Pneumonie begonnen wurde, lag die Überlebenswahrscheinlichkeit der Patientinnen und Patienten bei über 73 Prozent.

Die Untersuchung ist zwar klein und eine reine Observationsstudie, sie deckt sich aber gut mit unseren Erfahrungen mit intensivpflichtigen COVID-19-Patientinnen und -Patienten. In den ersten Tagen nach der Aufnahme gelingt es bei einigen Patientinnen und -Patienten mit CPAP oder NIV-Beatmung (wir verwenden Vollgesichtsmasken), den Gasaustausch zu stabilisieren und die Atemarbeit so zu reduzieren, dass das klinische Gefühl der Atemnot und die damit verbundene Angst verschwindet. Mit Glück bessert sich in den nächsten Tagen der Gasaustausch und eine Intubation kann vermieden werden. Etwa die Hälfte der Patientinnen und Patienten verschlechtert sich trotz aller Bemühungen und muss letztlich doch intubiert werden. Dies geschieht bei vielen Patientinnen und Patienten zwischen dem 5. und 7. Tag nach Intensivstationsaufnahme. Die Indikation zur Intubation ergibt sich meist durch das erneute Auftreten von subjektivem Atemnotgefühl, einem zunehmenden Compliance-Problem oder einer fortschreitenden schweren Störung des Gasaustauschs. Wartet man zu lange, erschöpfen sich die Patientinnen und Pateinten und reagieren auf die Narkoseeinleitung zur Intubation mit Blutdruckabfall und in weiterer Folge Vasopressorpflichtigkeit. Die Pathophysiologie des Lungenversagens kann durch nicht-invasive Beatmungsmethoden unserer Meinung nach nicht nachhaltig beeinflusst werden. CPAP und NIV hilft uns lediglich in der Frühphase der Erkrankung, eine vorzeitige Intubation und invasive Beatmung zu vermeiden.          

Krankheitsgeschehen im Zwerchfell

Eine kleine Autopsiestudie an Patientinnen und Patienten, die an schweren COVID-19-Erkrankungen verstorben sind, zeigt, dass das Virus auch Myozyten des Zwerchfells befallen kann (JAMA; doi: 10.1001/jamainternmed.2020.6278). Die Untersuchung zeigt außerdem, dass Muskelfasern des Zwerchfell ACE II Rezeptoren an ihrer Oberfläche exprimieren. Diese Rezeptoren sind der Schlüssel zum Eindringen in das Zellzytoplasma. Im Zusammenhang mit der „Infektion“ des Zwerchfells wird auch eine Aktivierung vom Fibroblasten mit nachfolgenden fibrotischen Veränderungen epimysial und perimysial  berichtet. Inwieweit Zwerchfellveränderungen bei COVID-19-Erkrankten an der Persistenz von Dyspnoe und Tachypnoe nach Überwinden der Erkrankung beteiligt sind, ist derzeit unklar.

WHO Rapid Communication zu Remdesivir

In einer „Rapid Communication“ der WHO (BMJ 2020; doi: 101136/bmj.m3379) wird von einem Expertengremium, aufgrund der Analyse verschiedener Studien, vom Einsatz des Virostatikums „Redemsivir“ auch bei leichten bis moderaten Erkrankungen abgeraten. In Summe zeigen diese Studien, dass Redemsivir keine signifikanten Effekte auf Mortalität, Notwendigkeit und Dauer einer Beatmungstherapie, der viralen Clearance bis zum 7. Tag, der Inzidenz von Nierenschäden oder dem Auftreten eines Delirs, der Zeit bis zur Besserung der Symptome und der Hospitalisierungszeit hat.

Akutes Delir als häufiges Symptom

Eine neue Multizenterstudie aus Notaufnahmestationen zeigt, dass das akute Delir ein häufiges Symptom bei der Aufnahme älterer an COVID-19 erkrankter Menschen ist (JAMA 2020; doi: 10.1001/jamanetworkopen.2020.29540). An dieser Datenerhebung  nahmen 7 Notaufnahmen in den USA teil. Eine COVID-19 Erkrankung wurde mittels PCR-Diagnostik in 99 Prozent aller Fälle verfiziert. 817 ältere Menschen (mittleres Alter 77,7 Jahre) wurden in die Studie aufgenommen.  Bei 37 Patientinnen und Patienten (16 Prozent) war das akute Delir das alleinige Aufnahmesymptom. 84 Patientinnen und Patienten (37 Prozent) zeigten außerdem keine sonstigen „COVID-19 spezifischeren“ Symptome wie z.B. Atemnot oder Fieber. Folgende Faktoren waren mit dem Auftreten eines akuten Delirs bei COVID-19-Erkrankung assoziiert: Aufnahme aus einer chronischen Pflegeeinrichtung, Prämedikation mit Psychopharmaka, Eingeschränktes Seh- und Hörvermögen, Zustand nach Apoplex und Vorhandensein einer Parkinsonerkrankung. Das Auftreten eines akuten Delirs war ein Risikofaktor für die Notwendigkeit zur Intensivbehandlung und erhöhte signifikant das Sterberisiko der Patientinnen und Patienten.