Eine Keynote-Addresse von Porsche-Holding-Personalleiter für Österreich, Mag. Klaus Fetka zeigte bei der Jahrestagung der ÖGARI im November in Graz, wo die Probleme und Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft liegen: Aggressives Werben um Nachwuchs wird notwendig sein, ebenso wie mehr Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der Arbeitnehmer.  Was für Industrie- und Dienstleistungsunternehmen gilt, ist auch für anästhesiologische Abteilungen von Interesse.

Die Arbeitswelt ist im Umbruch. Nachwuchs fehlt, die Lebensarbeitszeit wird länger werden. Digitalisierung sorgt teilweise für Unruhe. Auch mit dem Thema von Mitarbeiterrekrutierung und –bindung setzte sich die Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (AIC 2019 im November in Graz) auseinander. Einen pointierten Ausblick zu dem Thema gab Mag. Klaus Fetka, Personalchef der Porsche Holding Österreich mit rund 6.500 Beschäftigten.

„Viele denken: ‚Warum gibt es so wenige Bewerber? Warum sind die nicht so gescheit wie ich es war?‘ Die Antwort ist einfach: ‚Wir werden immer weniger‘“, sagte Mag. Fetka. Schon die demografische Entwicklung zeige die dramatischen Veränderungen mit ihren Konsequenzen für die Arbeitswelt. Kamen 1960 in Österreich noch 126.000 Babys zur Welt (Baby-Boomer), sei in der Generation X (1966 bis 1980) diese Zahl auf um die 85.000 gefallen, um in „guten Zeiten“ Anfang der 1980er-Jahre noch einmal auf etwa 90.000 zu steigen. Die Generation Y (1981 bis 1995) habe nach einem vorübergehenden Rückgang wieder solche Jahrgänge erlebt, um dann auf Geburtenzahlen von etwa 79.000 abzufallen. Die Zahl der Lehranfänger hätte 1970 in einem Jahr um die 45.500 betragen, 2015 nur noch rund 33.000.

„Der Anteil der Erwerbstätigen an der Gesamtbevölkerung wird zwischen 2001 und 2050 von 62 Prozent auf 51 Prozent sinken“, so Mag. Fetka. Das müsse einfach Auswirkungen haben. Je geringer der Anteil der „Jungen“ werde, desto mehr werde sich der Konkurrenzkampf von Unternehmen und Institutionen im öffentlichen wie im privaten Bereich um den professionellen Nachwuchs zuspitzen.  

Vor 15 Jahren sei jedes Unternehmen noch „satt“ geworden mit jungen Arbeitskräften, doch seither sei eine zunehmende Verknappung aufgetreten. „Die Jungen wissen, dass sie wenige sind. Die haben keinen Stress“, wie Mag. Fetka erklärte.

Jede Generation habe darüber hinaus ihre eigenen Spezifika, welche Unternehmen berücksichtigen müssen, wenn sie Erfolg am Arbeitsmarkt haben wollen. „Bei den Baby-Boomern, die ‚zu viele‘ waren, zählte die Leistung. Sie hatten gelernt zu kämpfen. Das sind die, die heute an den Schalthebeln sitzen. Die Generation X, das ist die Yuppie-Generation, für die Prestige und Image stark zählt. Das ist die erste globale Generation. ‚Ich arbeite, um mir ein tolles Leben leisten zu können. Ich will alles haben‘, sagt sie“, sagte der Personalchef von Porsche.

Schließlich die Generation Y. „Sie ist jene Generation, die viel hinterfragt. Warum ist das so? Warum ist Karriere wichtig? Ich möchte eine ausgewogene Work-Life-Balance haben. Diese Generation lebt teilweise in Parallelwelten. Sie wollen alles andere als mit Druck und Stress zu arbeiten. Auch der finanzielle Druck ist kein großer“, betonte Mag. Fetka. Jetzt käme die Generation Z, die begleitet wird von den Helikopter-Eltern, die alle Probleme für das Kind lösen. „Die ersten Probleme haben sie dann im Job. Eine Universitätsprofessorin hat mir erzählt, eine 21-Jährige ist mit ihren Eltern zur Prüfungseinsicht gekommen.“

Die generellen Trends: Die Zahl der offenen Stellen wird dramatisch ansteigen. „Unternehmen werden aggressiver werden, um die offenen Stellen zu besetzen. Es wird einen ‚War for Talents‘ geben“, sagte der Porsche-Holding-Personalchef. Man müsse aktiv dorthin gehen, wo die Schüler, Studenten und in Ausbildung stehenden Talente seien. „Der Nachwuchs ist das Um und Auf.“ Deutsche Medizinstudenten bekämen von Kliniken bereits Angebote auf Co-Finanzierung des restlichen Studiums, wenn sie sich verpflichteten, später in jene Spitäler zu gehen.

Längst habe die digitale Welt einen großen Teil der Lebenssphären der Generationen Y und Z, also jener Menschen, die nach 1984 geboren wurden, durchdrungen. „Im Alter von 21 Jahren hat ein Mitglied der Generation Y und Z bereits 250.000 E-Mails, Whatsapp-, Instagram-Nachrichten bearbeitet, 10.000 Stunden mobil telefoniert, 5.000 Games gespielt und 3.500 Stunden in sozialen Netzwerken verbracht“, sagte Mag. Fetka.

62 Prozent der jungen Arbeitnehmer sagten, dass sie sich ein Leben ohne Internet nicht mehr vorstellen könnten. „40 Prozent der Studenten erklären, dass ihnen Kontakte über soziale Medien wichtiger sind als reale Treffen. Und 29 Prozent der Studenten meiden Unternehmen, die soziale Medien während der Arbeitszeit verbieten“, erklärte der Keynote-Speaker des AIC 2019.

Emotionale Mitarbeiterbindung werde insgesamt immer wichtiger. „Geld ist nie ein emotionaler Bindungsfaktor“, sagte Mag. Fetka. Flexible Arbeitszeit, mobiles Arbeiten, Gemeinschaft, das Arbeiten im Team, gegenseitige Wertschätzung und Respekt sowie gutes Führungsverhalten seien ausschlaggebend für die Verweildauer von jungen Arbeitnehmern in Unternehmen. „Die emotionale Mitarbeiterbindung kostet oft keinen Euro“, erklärte der Personalchef. Je länger die Verweildauer sei, desto effizienter arbeite der einzelne Arbeitnehmer. „Du kommst wegen des Unternehmens, aber Du gehst wegen Deines Chefs“, das sollte nicht passieren“, erklärte Mag. Fetka.

Die viel zitierte Work-Life-Balance werde oft falsch verstanden als Ausgewogenheit von Arbeit und Freizeit. Es gehe hingegen eigentlich um Unternehmenskultur und um Werte. Ein Unternehmen sollte gemeinsames Führungsverhalten haben und gegenseitige Wertschätzung. „Kann ich mich weiterbilden? Kann ich Arbeitszeiten so einrichten, dass es für mich passt?“ Das Gehalt allein mache nur 44 Prozent der bestimmenden Faktoren für die Bewertung eines Arbeitsplatzes aus. Auch das Übernehmen von Verantwortung oder Macht seien nicht mehr so wichtig wie früher.  

„Wenn wir weniger werden, müssen wir alte Zöpfe abschneiden, zum Beispiel Gendermanagement ernstnehmen“, erklärte Mag. Fetka. Es gehe nicht an, dass man mehr als 50 Prozent der Bevölkerung im Arbeitsleben missachte, es Frauen in Unternehmen schwer mache mit Arbeitszeiten, Kinderbetreuung etc. Nicht nur Zugang zu Führungskarrieren für Frauen sei ein Gebot der Stunde, sondern auch Zugang zu Fachkarrieren, zum Erlangen besserer Fähigkeit und Kompetenzen in den ureigenen Aufgabengebieten.

Das spiele auch bei der Besetzung von offenen Stellen eine Rolle: Internationale Beispiele hätten gezeigt, dass die Neutralisierung von Lebensläufen zu einer Steigerung der Postenbesetzung mit Frauen um 30 Prozent geführt habe. Man könne mit der Besetzung einer offenen Stelle zum Beispiel auch warten, bis sich zumindest eine gleich gut qualifizierte Frau beworben habe – und dann aussuchen. „Österreich ist da ganz hinten. Wir haben in der OECD in keinem Land so viele Frauen, die für den Job, den sie haben, überqualifiziert sind. Wir bilden Frauen aus und sie üben dann Jobs aus, für die sie überqualifiziert sind.“

Bei im Endeffekt bevorstehender Anhebung des Pensionsalters in Richtung 70 Jahre auch in Österreich werde auch altersgerechtes Arbeiten automatisch wichtiger. Hier gehe es einerseits um neue Vergütungs- und Entlohnungssysteme für Jüngere, andererseits um Möglichkeiten für Ältere, eventuell weniger zu arbeiten – alternsgerechtes Arbeiten. Noch nie würden in Zukunft so viele Generationen in Unternehmen zusammen tätig sein. Die Familiengründung habe sich auf 30 bis 40 Jahre verlegt. Da kämen „Gasgeben“ zwischen 20 und 30 Jahren, Karenzzeiten und Sabbaticals zwischen 30 und 40. 40- bis 50-Jährige würden sich gerne wieder neu orientieren, Ältere wollten Antworten haben, wie sie ihre Eltern eventuell versorgen könnten, weniger arbeiten.

Und schließlich seien multikulturelle Unternehmen ein wichtiges Thema. Der Arbeitskräftebedarf würde sich nur über Migration decken lassen. „Österreich ist nicht sehr multikulturell im Denken. Da müssen wir offen werden. Multikulturelle Gesellschaften ergeben multikulturelle Unternehmen. Wir müssen uns hier anpassen. Spannende Zeiten werden kommen. Wir leben in Zeiten des Umbruchs, in denen wir neue Ideen hereinlassen und offen sein müssen“, so Mag. Fetka. (red)