Aktuelle Studien von hohem Wert für die tägliche Praxis, diskutiert und kommentiert: Das bietet das regelmäßige „Update in Anästhesie und Intensivmedizin“ (ANAICU), ein spezielles Service für ÖGARI-Mitglieder im geschützten Bereich der Homepage (www.oegari.at). Vor kurzem ist ein neues Update erschienen, wie immer mit einem umfangreichen Themenspektrum.

Mittlerweile ist die 107. Ausgabe des „Update in Anästhesie und Intensivmedizin“ online gegangen. Führende Experten aus Anästhesie und Intensivmedizin wählen interessante aktuelle, in hochrangigen Journals publizierte Arbeiten aus der internationalen Studienlandschaft aus, berichten über die zentralen Ergebnisse, Hintergründe und das Design der Studien und kommentieren sie in einem „Fazit für die Praxis“.

Die Mitglieder des Expertenteams: Prim. Univ. Prof. Dr. Walter Hasibeder (St. Vinzenz Krankenhaus Zams), Prim. Univ. Doz. Dr. Lukas Kirchmair (Bezirkskrankenhaus Schwaz in Tirol), Univ. Doz. Dr. Martin Dünser (Abt. für Anästhesiologie und Intensivmedizin Kepler Universitätsklinikum Linz), Prim. Univ. Doz. Dr. Johann Knotzer (Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin II Klinikum Wels) sowie  Ass.-Prof. Dr. Judith Martini (Univ. Klinik für Anästhesie und Allgemeine Intensivmedizin Universitätskliniken Innsbruck).

In der aktuellen Ausgabe werden folgende Themenbereiche besprochen:

  • Die intraoperative Herzfrequenz, systolischer Blutdruck und das Auftreten von Myokardschädigung (MINS = Myocardial Injury in Noncardiac Surgery)
  • Die Bedeutung der Kapnographie in der Reanimation
  • Der Zusammenhang zwischen arteriellem Pulsdruck und postoperativer Morbidität in chirurgischen Hochrisikopatienten
  • Der Einfluss vasoaktiver Medikamente auf das Auftreten der Intensivmyopathie
  • Die Bedeutung des präoperativen Blutdrucks auf postoperative Organkomplikationen und die Krankenhausmortalität bei elektiven nicht-kardiochirurgischen Eingriffen
  • Postoperativer früher Wiederbeginn einer ß-Blockertherapie reduziert die Inzidenz des postoperativen Vorhofflimmers
  • Der “richtige” Zeitpunkt zum Beginn einer Nierenersatztherapie in der Sepsis: Pantoprazol und das Risiko gastrointestinaler Blutungen auf der Intensivstation
  • Adrenalin im Herzkreislaufstillstand außerhalb des Krankenhauses
  • Kurz- versus länger dauernde Antibiose bei intraabdominellen Infektionen
  • Das ABCDEF Bündel und seine Bedeutung für das Patientenoutcome – “je mehr desto besser!!”

Im Folgenden ein Auszug aus einigen der besprochenen Studien:
So geht es beispielweise in der kürzlich in „Anesthesia and Analgesia“ erschienenen VISION-Untersuchung von Abbott TEF et al (A Prospective International Multicentre Cohort Study of Intraoperative Heart Rate and Systolic Blood Pressure and Myocardial Injury After Noncardiac Surgery: Results of the VISION Study, Anesth Analg. 2018 Jun;126(6):1936-1945) um den relativen Einfluss von intraoperativen Blutdruck- und Herzfrequenzschwankungen auf Myokardschäden nach nichtkardialen chirurgischen Eingriffen (Myocardial Injury in Noncardiac Surgery, MINS).

Die Ergebnisse der Untersuchung und das Fazit für die Praxis:  Perioperative Herzfrequenzen > 100 bpm, Hypo- und Hypertension sind mit perioperativen MINS und Myokardinfarkt assoziiert. Hingegen schützt eine Bradykardie (definiert als HF < 55bpm) vor MINS, Myokardinfarkt und postoperativen Todesfällen. Von allen Extremen der Hämodynamik ist die länger dauernde Tachykardie der größte Risikofaktor für kardiale Komplikationen und Tod in der Studie.

Kapnographie in der Reanimation

Sandroni C et al untersuchten den Stellenwert der Kapnometrie während CPR  (Capnography during cardiac arrest, Resuscitation. 2018 Nov;132:73-77). Die Conclusio der Autoren und Kommentatoren: Während der CPR sollte EECO2 (Endexpiratorisches CO2) gemessen werden. Persistierend niedrige EECO2 Werte oder ein kontinuierlicher Abfall während prolongierter Reanimation lassen auf eine schlechte Prognose des Patienten schließen. Gewarnt wird vor Hyperventilation oder zu hohen Tidalvolumina, welche die größten Störgrößen bei der Interpretation der Kapnometrie in der Reanimation darstellen. Auch die Gabe von Adrenalin kann bei fast der Hälfte aller Reanimationen einen Abfall des EECO2 verursachen. Weiters heißt es im Expertenkommentar: „Es ist derzeit unklar, ob dieser medikamentös induzierte Abfall ebenso als schlechtes Prognosezeichen zu werten ist – die diskutierten Mechanismen wie ein transienter Shutdown der Mikrozirkulation und/oder ein zunehmender intrapulmonaler Shunt sollten dies eigentlich vermuten lassen.“

„Unkontrollierte Hypertension“ und postoperatives Outcome

Die Diagnose „unkontrollierte Hypertension“ ist nach wie vor der häufigste Grund für die Verschiebung einer geplanten Operation. Bis dato gibt es nur wenige valide Daten, welchen Einfluss eine präoperative Hypertension auf das postoperative Outcome der Patienten hat. In ihrer Arbeit (The association between preinduction arterial blood pressure and postoperative cardiovascular, renal, and neurologic morbidity, and in-hospital mortality in elective noncardiac surgery: an observational study; J Hypertens. 2018 Nov;36(11):2251-2259) untersuchten Abdelmalak BB et al einen Zusammenhang zwischen dem präoperativen Blutdruck und dem postoperativen Outcome aus einer großen Datenbank von über 58.000 Patienten aus der Cleveland Clinic. Das Ergebnis: Diese Studie zeigt das erste Mal deutlich auf, dass Patienten mit einer Hypertension unabhängig vom Schweregrad kein erhöhtes postoperatives Risiko für ein neurologisches, kardiales oder renales Ereignis haben, sofern sie davor keine bekannte Herzkreislauferkrankung aufwiesen.?Bringen sie zu einer Hypertension zusätzlich eine oder mehrere Herzkreislauferkrankungen mit, so ist Vorsicht geboten und der Blutdruck gegebenenfalls noch besser oder akkurater einzustellen, um postoperative Komplikationen zu vermeiden. Unklar dabei bleibt, wie beziehungsweise wie lange vor dem Eingriff dies stattfinden soll. Interessant ist dabei, so die Kommentatoren, auch die Tatsache, dass niedrige diastolische Werte mit einem negativen Outcome assoziiert waren. Wichtig sei auch, nochmals darauf hinzuweisen, dass die Perfusion der linken Herzkranzarterie vom diastolischen Blutdruck abhängig ist und dieser in Narkose noch signifikanter abfallen kann. Auf dieses Patientengut sei jedenfalls besondere Aufmerksamkeit zu richten, um Komplikationen abzuwenden.

Weg mit der fixen, täglichen Stressulkusprophylaxe auf der ICU

In der SUP-ICU Studie untersuchte eine skandinavische, holländische, britische und Schweizer Forschungsgruppe den Effekt einer täglichen Stressulkusprophylaxe mit Protonenpumpenhemmer auf die 90-Tage Mortalität (primärer Endpunkt) bei kritisch kranken Patienten (Krag M et al, Pantoprazole in Patients at Risk for Gastrointestinal Bleeding in the ICU. N Engl J Med. 2018 Oct 24). Sie bestätigt die Ergebnisse der rezenten Meta-Analysen und spiegelt gut den Wandel der Intensivmedizin der letzten 30 Jahre wieder. Das Fazit der Kommentatoren: „Eine sauber durchgeführte Studie zu einem relevanten Thema in der Intensivmedizin. Während früher der Vorteil der Stressulkusprophylaxe durchaus noch sinnvoll war, so scheint dieser Vorteil mit der Weiterentwicklung der Intensivmedizin verschwunden zu sein. Im Gegensatz zu früheren Studien beleuchtet dieser Trial auch die Kehrseite der Medaille, d.h. die Nebenwirkungen einer täglichen Stressulkusprophylaxe. Unterm Strich können heute keine positiven Effekte durch eine routinemäßige, tägliche Protonenpumpenhemmertherapie beim Intensivpatienten erzielt werden. Die Schlussfolgerung der Autoren wird klar von deren Daten unterstützt und sollte relevante Auswirkungen auf unsere tägliche Praxis haben.“

Detaillierte Ergebnisse der genannten Studien sowie die ausführlichen Kommentare lesen Sie in der aktuellen Ausgabe  „Update in Anästhesie und Intensivmedizin“. (Blogredaktion/Dr. Hannelore Nöbauer)