ÖGARI-Corona-Update: Präsident Prim. Univ.-Prof. Dr. Walter Hasibeder kommentiert für anaesthesie.news regelmäßig aktuelle Studien rund um SARS-CoV-2. In dieser Literaturübersicht geht es um Prognoseszenarien der britischen Gesundheitsverwaltung zur weiteren Pandemie-Entwicklung, die T-Zell-Immunität, das erhöhte Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse nach einer SARS–CoV-2-Infektion, invasive und nicht-invasive Beatmung von an COVID-19 Erkrankten oder die Sicherheit der Corona-Impfung in der Schwangerschaft.

Das britische Gesundheitsministerium hat im Februar 2022 in einer Veröffentlichung mögliche Szenarien für die weitere Pandemieentwicklung veröffentlicht (https://assets.publishing.service.gov.uk).  Dabei betonen die Autorinnen und Autoren, dass ein Wechsel zwischen den einzelnen beschriebenen Szenarien jederzeit möglich ist und eine eher instabile Lage, das heißt ein Wechsel zwischen den Szenarien, die wahrscheinlichste Zukunftsprognose für die Pandemie darstellt. SARS-CoV-2 wird uns weiterhin in Infektionswellen, die besonders in der kalten Jahreszeit auftreten, heimsuchen. Der Wechsel zwischen pandemischer Situation in eine Endemie kann durchaus zwischen zwei und zwölf Jahren variieren.  Je nach globaler Immunlage (Impffortschritt und Durchseuchung) und der gerade vorherrschenden Virus-Varianten werden diese Wellen größer oder kleiner ausfallen. Die Saisonalität der Infektion ist insofern bedeutsam, da bei Weglassen der nicht pharmakologischen Schutzmaßnahmen (Masken, Abstände) mit einer noch nicht abschätzbaren Interaktion mit Anderen, in der kalten Jahreszeit zirkulierenden Viren (Influenza, RSV) zu rechnen ist. Große Impflücken in der Bevölkerung, Probleme bei der Bereitstellung wirksamer Impfstoffe oder nachlassender Impfschutz können die Situation saisonal verschlechtern.

Im Folgenden werden die einzelnen Szenarien besprochen:

  1. Bester Falloptimale Zukunftsentwicklung

Es entstehen weitere Varianten, aber ohne wesentliche Änderungen in der Antigenität. Das bedeutet, dass die Übertragbarkeit des Virus in etwa gleich bleibt und die Erkrankungsschwere sich auf dem derzeitigen Niveau (Omikron-Variante) einpendelt. Das bedeutet auch, dass die derzeit verfügbaren Impfstoffe weiterhin einen ausreichenden Schutz gegen schwere Verläufe, Hospitalisation und Tod bieten würden. Somit sind geringfügige saisonale/regionale Ausbrüche aufgrund nachlassender Immunität und geringer antigener Veränderungen zu erwarten. Impfprogramme, die derzeitig verfügbaren Virostatika und Antikörpercocktails  schützen weiterhin besonders Menschen im hohen Alter, Menschen mit Risikofaktoren für schwere Krankheitsverläufe und Personengruppen unter immunsuppressiver Therapie.

Prognose: In den nächsten 12 bis 18 Monaten: Relativ geringes Wiederaufflammen der Infektionen im Herbst/Winter 2022/23 mit einer bewältigbaren Anzahl schwerer Erkrankungen

2. Im wesentlichen optimistisches Szenario

Die zunehmende globale Immunität in der Bevölkerung führt zu einem allgemein niedrigeren Erkrankungsschweregrad. Die Infektionswellen werden durch Zyklen mit deutlich abnehmender Immunität angetrieben und/oder mit dem Auftreten neuer Varianten entweder von Omikron oder anderen Viruslinien. Das allgemeine Muster ist eine jährliche saisonale Infektion mit guten und schlechten Jahren, letztere mit hoher Übertragbarkeit und Schweregrad ähnlich wie bei der Delta-Variante. Schwere Erkrankungen und Todesfälle beschränken sich weitgehend auf gefährdete, ältere Menschen und solche ohne vorherige Immunität. Regelmäßig aufgefrischte Impfstoffe werden jährlich an gefährdete Personen und in schlechten Jahren auch an andere Personen verabreicht. Der Einsatz nicht pharmakologischer Schutzmaßnahmen sollte während der Infektionswellen weiterhin hoch bleiben.

Prognose: In den nächsten 12 bis 18 Monaten: Saisonale Infektionswellen vor allem im Herbst/Winter mit einem Ausmaß und Schweregrad vergleichbar der derzeitige Omikron-Welle.

3. Im wesentlichen pessimistisches Szenario

Die hohe globale Infektionsinzidenz führt zusammen mit der zunehmenden Immunität der Bevölkerung zu einer unvorhersehbaren Entstehung neuer Varianten. Die Kombination von verstärkter Immunevasion, höherer Übertragbarkeit im Vergleich zu Omikron, und gelegentlich ähnlichen Erkrankungsschweregrad wie Infektionen mit dem Alpha- und Delta Virus belasten wiederholt die nationalen Gesundheitssysteme. Letzteres wird vor allem von der vorbestehenden Immunität innerhalb der Bevölkerung (genesen und/oder geimpft) abhängig sein. Aktualisierte Impfstoffe bieten weiterhin einen guten Schutz gegen schweren Erkrankungsverläufe. Wiederholte Infektionswellen können aber mit einer unverhältnismäßigen starken Auswirkung auf einige Gruppen, zum Beispiel Kinder, einhergehen. Mit Resistenzentwicklungen gegen Virostatika ist zu rechnen

SARS-CoV-2-Wellen überschneiden sich mit saisonalen Grippeperioden. Letzteres kann zu erheblichen Belastungen des Gesundheitssystems führen! In einigen Ländern werden Strenge nicht pharmakologische Schutzmaßnahmen während Infektionswellen verordnet.

Prognose: In den nächsten 12 bis 18 Monaten: Das Auftreten einer neuen bedenklichen Variante führt zu großen Infektionswellen, möglicherweise kurzfristig und außerhalb des Herbstes/Winters. Schwere Erkrankungen und Sterblichkeit bleiben jedoch auf bestimmte Gruppen konzentriert, zum Beispiel ungeimpfte, gefährdete und ältere Menschen.

4. Mögliches „Worst Case“ Szenario

Die hohe globale Inzidenz, die unvollständige globale Durchimpfung der Menschheit und die Verbreitung von SARS-CoV-2 in Tierreservoiren führen zur wiederholten Entstehung gefährlicher Varianten. Dabei spielt auch die Rekombination von genetischem Material zwischen Varianten (also der Austausch von genetischem Material verschiedener Varianten, die dieselbe Zelle infizieren) eine wichtige Rolle. Nicht alle neuen Varianten sind bedenklich, aber einige zeigen eine erhebliche Immunflucht sowohl auf bestehende natürliche Immunität als auch auf existierende Impfstoffe. Unvorhersehbare Veränderungen in der Art und Weise, wie das Virus Krankheiten verursacht, verändern die Häufigkeit und das Altersprofil schwerer Erkrankungen sowie die Sterblichkeit, wobei die langfristigen Auswirkungen nach einer Infektion (Zunahme chronischer Erkrankungen, Long-COVID, Übersterblichkeit und weitere Abnahme der durchschnittlichen Lebenserwartung) weiter zunehmen. Eine flächendeckende jährliche Impfung mit aktualisierten Impfstoffen ist ebenso wie die Einhaltung nicht pharmakologischer Schutzmaßnahmen erforderlich. Letztere sind vor allem in Infektionswellen mit besonders gefährlichen immunescape Varianten zu fordern.

Prognose: In den nächsten 12 bis 18 Monaten: Auftreten großer Infektionswellen mit gehäuft schweren Erkrankungen, die unsere Gesundheitssysteme stark belasten werden. Am stärksten betroffen werden, wie in den vorhergehenden Wellen auch, Risikopopulationen und Ungeimpfte sein!

Die in dieser Prognose aufgezeigten Szenarien lassen aus meiner Sicht, gesundheitspolitisch folgende Schlüsse zu:

  • Wir benötigen weltweit und so rasch wie möglich eine hohe Durchimpfungsrate.
  • Innerhalb eines Staates ist zumindest eine nahezu 100prozentige Durchimpfung der Risikogruppen (Alter, Vorerkrankungen, Immunsuppression) und deren unmittelbarer Bezugspersonen zu fordern.
  • Personen, die im Gesundheitswesen oder in exponierten Bereichen des öffentlichen Dienstes arbeiten, sollten geimpft sein.
  • Während der Infektionswellen mit neuen Immunescape oder gefährlichen Varianten sollten nicht-pharmakologische Schutzmaßnahmen in geschlossenen, öffentlichen Raum eingeführt bzw. beibehalten werden.

In den letzten SARS-CoV-2-Updates haben wir bereits die Bedeutung der zellulären Immunabwehr für einen langfristigen Immunschutz vor schweren Erkrankungsverläufen diskutiert. Das Problem der Studien zum zellulären Immunschutz liegt in der dafür notwendigen komplexen Methodik, die nur in wenigen Speziallaboren zur Verfügung steht. T- und B-Lymphozyten müssen dazu aus Genesenen oder Geimpften isoliert werden. In komplexen in-vitro-Systemen kann dann die zelluläre Immunantwort infizierte Zellkulturen überprüft werden.

Eine neue Studie im Journal Cell (Tarke A, et al. Cell 2022; 185:1-13) zeigt eindrücklich, dass T-Zellen von geimpften Personen in der Lage sind Epitope des Spikeproteins aller bisherigen Virus-Varianten, inklusive Omikron, zu erkennen und infizierte Zellen gezielt anzugreifen und zu zerstören. Dabei waren CD4+-T-Zellen in der Lage median elf verschiedene Epitope des Spikeproteins zu erkennen, CD8+-T-Zellen reagierten auf median zehn verschiedene Epitope am Spikeprotein.

Sechs Monate nach einer Impfung mit den mRNA-Impfstoffen (Pfizer, Moderna), dem Vektor-Impfstoff von Astra Zeneca und dem Protein-basiertem Impfstoff von Novavax war rund 90 Prozent (CD4+) beziehungsweise 87 Prozent (CD8+) der T-Zell Antwort auf Infektion mit früheren Virus-Varianten erhalten. Bei Omikron waren es immerhin noch 84 (CD4+) und 85 (CD8+) Prozent! Im Gegensatz dazu wurde nach sechs Monaten ein deutlicher Abfall der B-Memoryzellen und damit der Produktion neutralisierender Antikörper beobachtet. Die gute Nachricht dieser Studie ist aber die robuste und langanhaltende Immunantwort des T-Zellsystems auf Infektionen mit allen bisher bekannten Virus-Varianten. Die T-Zellantwort dürfte daher die Basis eines längerfristigen Impfschutzes vor schweren Infektionsverläufen sein. Übrigens scheint die zelluläre Immunantwort auf die Omikron-Variante deutlich besser nach Impfung verglichen mit Genesung nach Erkrankung mit früheren Virus-Varianten zu sein (Gao Y, et al. Nature Medicine 2022; doi: 10.1038/s41591-022-01700-x).

Das Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen ist nach einer Infektion mit dem SARS-CoV-2 Virus deutlich erhöht. In einer gerade erschienenen Studie (Xie Y et al. Nature Medicine 2022; doi: 10.1038/s41591-022-01689-3) wurden 153.760 Menschen mit nachgewiesener COVID-19-Erkrankung (PCR-positiv) mit zirka 5 Millionen Kontrollpersonen ohne COVID-19-Erkrankung aus dem selben Zeitraum und mit zirka 5 Millionen Kontrollpersonen aus der Zeit vor der Pandemie verglichen. Die Grundlage der Studie ist die „US Deptartment of Veterans Affairs Datenbank“. Der gewählte Outcomeparameter war das Auftreten neuer kardiovaskulärer Erkrankungen und die Sterberate an diesen Erkrankungen innerhalb eines Jahres. Bereits nach dem 30. Tag nach Beginn der Infektion stieg das Risiko für kardivaskuläre Erkrankungen in allen untersuchten Kategorien signifikant an. Dazu gehören zerebrovaskuläre Erkrankungen, Arrhythmien, ischämische und nicht-ischämische Herzerkrankungen, Perikarditis, Myokarditis, Herzinsuffizienz und thromboembolische Komplikationen.

Die folgende Tabelle gibt die Hazard Ratio (HR) von an COVID-19 erkrankten Menschen im Vergleich zur gematchten Kontrollpopulation wieder. Die zusätzlichen Fälle (Ereignisse) pro 1.000 Personen sind im Vergleich mit den Kontrollpopulationen bis zu 12 Monaten nach COVID-19 angeführt.

Ereignis HR Exzessfälle im Vergleich 1.000 Kontrollpatientinnen und -patienten (gerundet)
Schlaganfall 1,52 4
TIA 1,49 2
Vorhofflattern 1,71 11
Sinustachykardie 1,84 6
Sinusbradykardie 1,53 5
Ventrikuläre Arrhythmien 1,84 4
Vorhofflattern 1,69 3
Perikarditis 1,85 1
Myokarditis 5,38 0,3
Akutes Koronarsyndrom 1,72 5
Akuter Myokardinfarkt 1,63 3
Ischämische Kardiomyopathie 1,75 2
Angina pectoris 1,52 3
Herzinsuffizienz 1,72 12
Nicht ischämische Kardiomyopathie 1,62 4
Herzstillstand 2,45 1
Kardiogener Schock 2,43 1
Pulmonalembolie 2,93 5
Tiefe Venenthrombose 2,09 3

Wenn man alle kardiovaskulären Ereignisse, die in der vorliegenden Studie untersucht wurden, zusammenfasst, so ist das Risiko für diese Erkrankungen zirka 1,6-fach höher als für Kontrollpersonen ohne SARS-CoV-2-Infektion. Das bedeutet, dass in der COVID-19-Population 45 zusätzliche Personen pro 1.000 Menschen innerhalb der ersten 12 Monate nach der Infektion ein derartiges Ereignis erleiden. Die Risiken für jede und jeden Einzelne und Einzelnen, ein kardiovaskuläres Ereignis nach einer COVID-19-Erkrankung zu erleiden, waren von Faktoren wie Alter, Ethnie, Geschlecht, Vorhandensein von Fettleibigkeit, arterieller Hypertension, Diabetes, chronischer Nierenerkrankung und Fettstoffwechselstörungen unabhängig. Es muss also andere, noch unbekannte pathophysiologische Mechanismen nach Infektion geben, die verantwortlich für diese relativ akuten Ereignisse sind (zB. chronische Endothelitis; autoimmunologische Antikörper meditierte Mechanismen).

Man muss kein Ökonom und keine Medizinerin sein, um die immensen Auswirkungen der Folgeerkrankungen von COVID-19 auf die Gesundheitssysteme der Länder und die Bevölkerung eines individuellen Staates zu erahnen!

Nicht-invasive assistierende Beatmungssysteme haben im Verlauf der Pandemie einen wahren Hype erlebt. Vor allem eine Therapie mit High- Flow-Nasal-Oxygen (HFNO) wird gegenüber der konventionellen Sauerstoffzufuhr mit Nasenbrille oder Maske als deutlich überlegen betrachtet und wurde auf Normalstationen großzügig zur Therapie des respiratorischen Versagens bei COVID-19-Pneumonie eingesetzt. Eine Überwachung der Patientinnen und Patienten erfolgt auf diesen Stationen in der Regel durch nicht spezialisiertes Fachpflegepersonal und Stationsärztinnen und -ärzte, die in der Anwendung der Technik eingeschult wurden. Der prinzipielle Vorteil von HFNO gegenüber Low-Flow-Systemen (Nasenbrillen, Masken) ist die relativ konstante inspiratorische Sauerstoffkonzentration, die weitgehend unabhängig vom Atemmuster bestehen bleibt. Dadurch kann eine Hypoxämie über längere Zeiträume vermieden werden. Allerdings droht die große Gefahr, dass ein zunehmend pathologisches Atemmuster zu spät erkannt wird. Große Fluktuationen im Pleuradruck, vor allem bei forcierter Spontanatmung, führen zu hohen Scherkräften an den Alveolen und zu Schäden am Kapillarendothel und Alveolarepithel. Dieses „Patient Self Inflicted Lung Injury“ geht mit zunehmender Lungenschädigung, Lungenödem und Inflammation einher (Windisch W, et al. Dtsch Ärztebl Int 2020; 117:528-533).   

In einer neuen Untersuchung, der „RECOVERY-RS-Studie“ wurden die Effekte einer Therapie mit CPAP oder HFNO auf das klinische Outcome gegen eine konventionelle Sauerstofftherapie bei 1.273 hospitalisierten Patientinnen und Patienten untersucht (Perkins GD, et al. JAMA 2022; doi: 10.1001/jama.2022.0028). Die Patientinnen und Patienten wurden in eine CPAP-Gruppe (n=380), HFNO (n=418) und eine konventionelle Sauerstoffgruppe (KonO2 n= 475) randomisiert. Der primäre Outcomeparameter war die Notwendigkeit einer endotrachealen Intubation und die 30-Tage-Mortalität. Das mittlere Alter der Patientinnen und Patienten betrug 57,4 Jahre; 66 Prozent waren Männer. Die Notwendigkeit einer Intubation und die Mortalität waren in der CPAP-Gruppe signifikant reduziert, während kein Unterschied zwischen HFNO und KonO2 bestand. Somit zeigte eine HFNO-Therapie keine Vorteile gegenüber Low-Flow- Sauerstoffsystemen. Allerdings merken die Autoren in ihrer Diskussion an, dass die Studie vorzeitig beendet wurde und daher möglicherweise wegen zu weniger Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer statistisch gesehen „underpowered“ war.

Es ist keine Frage, dass nicht invasive Beatmungsverfahren, richtig angewandt, die Atemarbeit einer Patientin oder eines Patienten vermindern, eine Hypoxämie beseitigen und eine Intubation vermeiden können. Dies kann, unter optimalen Bedingungen, die Patientenprognose durch Vermeidung von übermäßiger Analgosedierung und den mit invasiver Beatmung assoziierten Komplikationen, verbessern. Andererseits verschlechtert eine zu spät begonnene invasive Beatmungstherapie beim Patienten mit pathologischem Atemmuster die Überlebensprognose. Dieser Zusammenhang wurde sehr schön in einer Studie von Günster et al. (PLoS ONE 2021; doi: 10.1371/journal.pone.0255427)  aus Daten des DIVI-Corona-Registers gezeigt. Je später ein Versagen einer nicht-invasiven Beatmungstherapie bei Patient:innen festgestellt wurde, desto höher war die Sterblichkeit auf der Intensivstation.

Wir haben in der klinischen Praxis, vor allem bei älteren Patientinnen und Patienten, ähnliche Erfahrungen gemacht. Gerade diese Menschen tolerieren HFNO-Systeme oft sehr gut, die Blutgase und die Sauerstoffsättigungswerte am Monitor sind zufriedenstellend, aber das Lungenversagen zeigt über mehrere Tage keine Besserungstendenzen. Schließlich müssen die Erkrankten nach mehreren Tagen doch intubiert werden und versterben wenig später. Ich denke, wir sollten bei persistierender Schwere des Lungenversagens trotz nicht invasiver Beatmungstherapie und unterstützt durch Mobilisierungstherapie und Lagerungsmanöver viel früher invasiv beatmen. Bei Patientinnen und Patienten mit pathologischem Atemmuster (hohe Atemarbeit) unter NIV-Therapie sollte, aus unserer Sicht, innerhalb weniger Stunden die Entscheidung zur Intubation, sofern überhaupt indiziert, getroffen werden.

Die hier eingefügte Tabelle zeigt die bisher publizierten RCT zum Thema Vergleich von nicht invasive Beatmungstherapieformen bzw. konventioneller Sauerstofftherapie bei COVID-19. Im HENIVOT Trial wurde eine NIV mittels Helm mit HFNO verglichen. Insgesamt wurden in dieser Studie 109 Patientinnen und Patienten mit moderaten bis schweren COVID-19-induzierten Lungenversagen inkludiert. In der Helmgruppe war zwar die Anzahl der Intubationen signifikant geringer, aber es wurden keine Unterschiede in der Hospitalsmortalität gezeigt. Die brasilianische Studie HIFlo-covid verglich HFNO (n=109) mit konventioneller Sauerstofftherapie (n=111). HFNO verminderte signifikant endotracheale Intubationen und die Hospitalsaufenthaltsdauer. Wir haben diese Studie bereits im letzten Update besprochen. Für mich persönlich war das größte Problem die hohe Inzidenz von Leberzirrhosen und der deutliche Unterschied in der Inzidenz zwischen Sauerstoff- und HFNO-Gruppe (44 versus 35 Prozent).

Wir haben in unserem Update öfters auf die Gefahren einer COVID-19 Erkrankung in der Schwangerschaft hingewiesen. Jetzt ist eine retrospektive Kohortenstudie erschienen, die die mütterliche und neonatalen Sterbefälle, die Inzidenz hypertensiver Entgleisungen, postpartaler Blutungen sowie Infektionen während und unmittelbar nach Schwangerschaft bei 14.104 PCR positiven Patientinnen aus 17 US-Spitälern berichtet und diese mit gematchten SARS-CoV-2-negativen Schwangeren vergleicht (Metz TD, et al. JAMA 2022; doi: 10.1001/jama.2022.1190).

Das Risiko zu Sterben, eine hypertensive Entgleisung zu erfahren, postpartal stärker zu bluten oder eine Infektion zu bekommen war für infizierte Mütter signifikant erhöht. Ebenso war das Risiko für Frühgeburten und das Risiko des Neugeborenen, auf eine neonatale Intensivstation transferiert zu werden, signifikant erhöht. Diese Beobachtungsstudie unterstützt gemeinsam mit anderen Untersuchungen, die wir in diversen Updates bereits besprochen haben, die generelle Empfehlung an alle Schwangeren, sich impfen zu lassen.

Eine andere große Untersuchung aus Israel (Goldshtein I, et al. JAMA Pediatrics 2022; doi:10.1001/jamapediatrics.2022.0001) zeigt die Sicherheit einer Impfung mit dem mRNA-Impfstoff von Pfizer-Biontec während der Schwangerschaft. Insgesamt wurden dabei 24.288 Geburten ausgewertet. In 16.697 Fällen erfolgte die Impfung im ersten und zweiten Trimester. Im Vergleich zu Patientinnen, die nicht während ihrer Schwangerschaft geimpft wurden, kam bei Geimpften zu keiner Häufung von Schwangerschaftskomplikationen oder Komplikationen beim Neugeborenen! Keine Unterschiede zwischen den Gruppen wurden hinsichtlich der Notwendigkeit eine Intensivtherapie, der Hospitalisationsraten, der Inzidenz von angeborenen Fehlentwicklungen sowie der neonatalen Sterbefälle berichtet. Es gibt keine Hinweise, dass die Impfung bei der Schwangeren mit signifikanten Nebenwirkungen assoziiert ist.