Die Sektion Notfallmedizin der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) hat ein Positionspapier publiziert, um die Rolle des Fachgebiets Anästhesiologie und Intensivmedizin in der innerklinischen Akut- und Notfallmedizin zu präzisieren.

Bei der innerklinischen Akut- und Notfallmedizin geht es um das gesamte Spektrum der Versorgung von Notfallpatientinnen und -patienten innerhalb eines Krankenhauses. Das umfasst ein breites Aufgabenspektrum: Die Tätigkeit in der Notaufnahme selbst, die ein Herzstück der Akut- und Notfallmedizin im Spital ist, bzw. wenn erforderlich auch im Schockraum, die akutmedizinische Behandlung in der Notaufnahme, die Versorgung sich akut verschlechternder Patientinnen und Patienten, die Betreuung von lebensbedrohlichen Notfällen innerhalb des gesamten Krankenhausbereichs.

Das neue Positionspapier setzt sich nun mit der Frage auseinander, welche Rolle Ärztinnen und Ärzte aus dem Fach Anästhesiologie und Intensivmedizin in diesen wichtigen Versorgungsaufgaben spielen. Aktuell liegen, halten die Autoren Prim. PD Dr. Martin Dünser und Prim. Univ.-Prof. Dr. Helmut Trimmel fest, „kaum systematisch erhobene Daten zur Organisation und Struktur der innerklinischen Akut- und Notfallmedizin in Österreich vor“. Weil in Österreich – wie auch in Deutschland – die Notfallmedizin kein eigenes Sonderfach ist, wird die innerklinische Notfallversorgung nur in wenigen österreichischen Krankenhäusern in einer eigenen Abteilung organisiert. Akut- und Notfallmedizin werden üblicherweise von unterschiedlichen Fachrichtungen gemeinsam abgedeckt – Innere Medizin, und Allgemeinmedizin,  Unfallchirurgie und Orthopädie, Neurologie und andere mehr. „Die Notfallversorgung von chirurgischen, neurologischen und anderen fachspezifischen Patientinnen ist oftmals nicht klar geregelt, da diese zumeist ohne klare Zuweisung an der Notaufnahme vorstellig bzw. eingeliefert werden“, heißt es im Positionspapier. Die Versorgung kritisch kranker oder verletzter Personen erfolge üblicherweise in entsprechend ausgestatten Schockräumen unter Mitwirkung von Anästhesistinnen und Anästhesisten. Die notfallmedizinische Betreuung von akut lebensbedrohlichen Zuständen außerhalb von Operations-, Überwachungs- oder Intensiveinheiten wird typischerweise von Herzalarmteams gewährleistet, welche sich je nach Organisationsmodell des Hauses aus den Bereichen Anästhesie und/oder Innere Medizin besetzt sind. Weitere strukturierte Notfallteams im Sinne von „medical emergency teams“ sind, im Unterschied zu anderen Ländern, nur in wenigen Krankenhäusern in Österreich institutionalisiert.

Diese Situation des Kompetenz- und Aufgabensplittings bei innerklinischen Notfallpatientinnen und -patienten führt, wie die Autoren betonen, „immer wieder zu Herausforderungen, Verlust von fachlichen Synergien und teilweise leider auch zu einer suboptimalen Patientenversorgung. Nicht zuletzt sind mit diesen Reibungsverlusten auch höhere Kosten verbunden.“

Basierend auf dem breiten Spektrum des Sonderfachs Anästhesiologie und Intensivmedizin mit seinen vielen Teilbereichen in der innerklinischen Akut- und Notfallmedizin nimmt dieses – gemeinsam mit anderen Fachgebieten – eine wichtige Rolle in der innerklinischen Betreuung von Notfallpatientinnen und -patienten ein. Umgekehrt bedeute dies auch, so die Autoren, „dass die innerklinische Akut- und Notfallmedizin einen zunehmend wichtigeren Teilbereich der Anästhesiologie und Intensivmedizin darstellt“.

Dies sei auch deshlab positiv zu bewerten, weil die Tätigkeit in der innerklinischen Akut- und Notfallmedizin zur „Erweiterung des medizinischen Wissens sowie zur Verbesserung der differenzialdiagnostischen und klinischen Fähigkeiten“ von Anästhesistinnen und Snästhesisten sorge, heißt es im Positionspapier. Bei zunehmender Spezialisierung der anderen Fachgebiete stärke die Tätigkeit der Anästhesistinnen und Anästhesisten „in der Notaufnahme auch deren Stellung als ‚Generalisten‘ im Krankenhaus. Dadurch ergeben sich eindeutig positive Auswirkungen auf die Tätigkeit in anderen Teilgebieten unseres Fachs, allen voran der präklinischen Notfallmedizin, aber auch der perioperativen Medizin, Intensiv- oder Schmerzmedizin“, schreiben die Experten.

Besonders betont wird in dem neuen Positionspapier auch der Stellenwert der interprofessionellen Zusammenarbeit mit den anderen klinischen Sonderfächern, insbesondere mit der Inneren Medizin der Chirurgie sowie der Unfallchirurgie.

Angesichts der aktuellen Situation in Österreich liege es auf der Hand, so die Autoren, „dass kein Fachgebiet alle medizinischen Anforderungen der Akut- und Notfallmedizin in seinen Ausbildungsinhalten abdecken kann.“ Ein eigenes Sonderfach für Notfallmedizin ist derzeit in Österreich schon aufgrund des Singularitätsprinzips, das eine Überlappung medizinischer Aufgabengebiete zwischen einzelnen Sonderfächern vermeiden soll, kein Thema.

Als gangbare und sinnvolle Alternative zum Ausbildungsmodell eines Sonderfachs „Notfallmedizin“ sehen die Autoren des Positionspapiers eine für alle relevanten Akutfächer offene „Spezialisierung Akut- und Notfallmedizin“. Die Sektion Notfallmedizin der ÖGARI arbeitet gemeinsam mit der Österreichischen Vereinigung für Notfallmedizin am Entwurf dieser Ausbildungsordnung.

Quelle: Das gesamte Positionspapier als PDF finden Sie hier: https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/s44179-022-00036-8.pdf