Der ESPEN Virtual Congress“ fand vom 19. bis 21. September 2020 statt. Der ÖGARI-Blog präsentiert hier eine Zusammenfassung der österreichischen Abstract-Beiträge.

„nutritionDay“: Aktuelle Auswertungen

Vier Abstracts präsentierten Ergebnisse zur Auswertung aktueller Daten des „nutritionDay“, der weltweiten Untersuchung zur Ernährungssituation in Krankenhäusern und Pflegeheimen:

Von 16.032 Intensiv-Patientinnen und -Patienten hatte fast die Hälfte in der Woche vor dem Erhebungszeitpunkt („nutritionDay“) eine Infektion. Die infektiösen Patienten erhielten mehr Substrat und viel größere Mengen an enteraler und parenteraler Ernährung als nichtinfektiöse.

Quelle: ESPEN Virtual Congress Abstract P122 B. Zapletal, C. Veraar et al: Infections are associated with a higher substrate provision in ICU patients: an ICU nutritionDay analysis

Das Sterberisiko hospitalisierter Patientinnen und Patienten mit einem BMI unter 22 steigt weltweit ähnlich. Es gibt kein Anzeichen dafür, dass die Toleranzgrenze (Cutt-off) für ein gesteigertes Risiko von der BMI-Verteilung in der Gesamtbevölkerung abhängt.

Quelle: ESPEN Virtual Congress 2020 Abstract: P076: A. Fischer, C. Veraar et al: Cut-off for risk increase with low BMI in hospitalized patients: a regional nutritionDay analysis

Bei hospitalisierten Patientinnen und Patienten verringert sich der BMI systematisch nach dem 70. Lebensjahr. Das gilt global, ungeachtet des Durchschnitts-BMI der Gesamtbevölkerung.

Quelle: ESPEN Virtual Congress 2020 Abstract: P080 H. Hager, C. Veraar et al: BMI decreases with age >60 years in all world regions: a nutritionDay analysis

Der Vergleich zwischen europäischen und außereuropäischen Daten brachte folgende Ergebnisse hinsichtlich Ernährung, BMI und Gewichtsverlust bei hospitalisierter Patientinnen und Patienten innerhalb von drei Monaten:

Pflanzenbasierte Diäten sind in Asien häufiger verbreitet und werden mit weniger Übergewicht assoziiert. Diäten mit wenig Fett führen weltweit zu Gewichtsverlust, jedoch nicht zu einer Reduktion des BMI. Südamerikanische Patientinnen und Patienten hielten häufiger eine Ernährung, die arm an Zucker und ohlehydrate war. Diese Diäten wurden eher von übergewichtigen und adipösen Patienten befolgt, die im Erhebungszeitraum Gewicht verlieren wollten. Diäten aufgrund von Allergien und Nahrungsmittelintoleranzen gab es häufiger in Nordamerika und Japan. Glutenfreie Diäten wurden in Asien weniger als in Europa eingehalten, während laktosefreie Diäten eher in Südamerika befolgt wurden.

Quelle: ESPEN Virtual Congress 2020 Abstract: P098 S. Tarantino, I. Sulz, M. Hiesmayr: Regional food habits variation and malnutrition risk factors in hospitalized patients: a nutritionDay analysis

BIA: Formel zur Berechnung der fettfreien Masse oft ungeeignet

Um zu überprüfen, ob das Berechnungsmodell zur Ermittlung der fettfreien Masse (FFM) mittels bioelektrischer Impendanzanalyse (BIA) verlässlich ist, führten Forscherinnen und Forscher der MedUni Wien BIA bei über 200 Patientinnen und Patienten durch, erstellten zudem ein imaginäres Datenset von 10.000 Testpersonen und berechneten die FFM-Werte. Es zeigte sich, dass die übliche Berechnungsformel bei 18 Prozent aller Fälle nicht geeignet war, da sie unmögliche FFM-Werte ergab. Für die verlässliche Ermittlung der FFM in der klinischen Praxis braucht es daher bessere Vorhersagemodelle, so die Schlussfolgerung

Quelle: ESPEN Virtual Congress 2020 Abstract: P009: A. Fischer, K. Liebau et al: What are the BIA outliners?

Interdisziplinäre Tracheostoma-Ambulanz LKH Feldkirch – Bilanz der ersten sechs Jahre

Zwischen November 2012 bis Dezember 2019 wurden 156 Patientinnen und Patienten in der ersten österreichischen interdisziplinären Tracheostoma-Ambulanz betreut. 81 Prozent der Patienten erhielten klinische Ernährung, rund 16 Prozent wurden mit transnasaler Magensonde ernährt und 1,28 Prozent mit zentralem Venen-Katheter. Rund 40 Prozent konnten Nahrung oral zu sich nehmen, bei acht Prozent der Patientinnen und Patienten wurde die orale Ernährung mit (par)enteraler ergänzt.

Die Spezialambulanz optimiert die Nahrungsversorgung der Patientinnen und Patienten in der Klinik. Für Patienten außerhalb der Klinik passt sie verschriebenen orale Nahrungsergänzung und enterale Ernährung an deren individuellen Bedürfnisse an.

Quelle: ESPEN Virtual Congress 2020 Abstract: LB-223: M.-M. Wetzinger: Six years of the first interdisciplinary specialized clinic dedicated to tracheostomy patients in Austria

Blutbildende Stammzellentransplantation: Mangelernährung steigert Mortalitätsrisiko

In einer retrospektiven Kohortenstudie mit 341 Patientinnen und Patienten untersuchte Dr. Doris Eglseer den Zusammenhang zwischen dem Ernährungsstatus vor einer blutbildende Stammzellentransplantation und der Sterblichkeit bei Patientinnen und Patienten mit hämatologischen Erkrankungen. Die Überlebenskurven zeigten, dass Patienten mit Mangelernährung vor der Transplantation ein gesteigertes Sterberisiko in der Einjahres-Follow-up-Periode hatten. Ernährung sei somit ein wichtiger Faktor in der holistischen Behandlung von blutbildenden Stammzellentransplantations-Patienten.

Quelle: ESPEN Virtual Congress 2020 Abstract: LB-227. D. Eglseer: Malnutrition in patients undergoing haematopoietic stem cell transplantations is a predictor for mortality after one year

Screening-Tools für Mangelernährung bei Leberzirrhose nicht geeignet

Eine Forschergruppe aus Graz und Wien untersuchte drei allgemeine Screening-Tools sowie ein speziell auf Lebererkrankung abgestimmtes Screening-Tool bezüglich ihrer Tauglichkeit, Mangelernährung bei Leberzirrhosepatienten festzustellen. Das Ergebnis: Keines der Mangelernährungs-screening-tools funktionierte ausreichend gut. Falls ein automatisiertes Mangelernährungsscreening erfolgt – was sehr wünschenswert ist – sollte bei der Diagnose „Leberzirrhose“ eine „Stopp-Regel“ in den Workflow eingebaut und Diätologinnen und Diätologen direkt einbezogen werden.

Quelle: ESPEN virtual congress 2020 Abstract: P036 J. Traub, I. Bergheim et al: Validation of malnutrition screening tools in liver cirrhosis