Auf eine mehr als bewegte Amtsperiode als ÖGARI-Präsident blickt Univ.-Prof. Dr. Klaus Markstaller in diesem Beitrag zurück. Hier seine Kommentare zu Themenschwerpunkten und Aktivitäten der vergangenen zwei Jahre sowie die Herausforderungen der SARS-CoV-2-Pandemie.

Als ich im März 2019 die Präsidentschaft der ÖGARI übernehmen durfte, hatte ich mir für die zweijährige Funktionsperiode zwei große thematische Schwerpunkte vorgenommen:  Zum einen, bei allen Verantwortlichen Bewusstsein für die Notwendigkeit von genügend hochqualifiziertem Nachwuchs für die Anästhesie und Intensivmedizin zu schaffen. Und zum anderen, die Potenziale der Digitalisierung für unser Fach bestmöglich zu fördern, sichtbar zu machen und diese Entwicklung voranzutreiben.

In beiden Themenbereichen konnten wir in den vergangenen zwei Jahren auch einiges bewegen – wenn auch auf einem teilweise anderen Weg als ursprünglich gedacht. Denn was zu diesem Zeitpunkt nicht im Entferntesten vorhersehbar war, das war die Tatsache, dass ein nicht unerheblicher Teil dieser Vorstandsperiode von einer Pandemie geprägt sein würde, von der größten globalen Gesundheitskrise seit Generationen. Diese regelrechte Naturkatastrophe, die da knapp ein Jahr später über uns hereingebrochen ist, stellte alle in der Anästhesie und Intensivmedizin Tätigen – in welcher Funktion auch immer – vor enorme Herausforderungen. Und sie rückte auch unser Fach in ganz besonderer  Weise in das Rampenlicht: Plötzlich war und ist das ganze Land nicht zuletzt mit der Frage der intensivmedizinischen Kapazitäten beschäftigt. Doch dazu später.

Lassen Sie mich zunächst einmal zurückblicken auf das erste Jahr meiner Präsidentschaft, das auch ein durchaus ereignisreiches für die ÖGARI war. Dies nicht nur deshalb, weil nach langen Vorarbeiten im März 2019 mit der Novelle des Ärztegesetzes die Voraussetzungen für eine  Reform der Notarztausbildung beschlossen wurde, zu der die ÖGARI – namentlich sei hier insbesondere der Vorsitzende der Sektion Notfallmedizin Prim. Helmut Trimmel genannt – einen ganz wesentlichen Beitrag geleistet hat. Damit, und mit der in der Folge ausformulierten Verordnung der Ärztekammer , wurde die Ausbildung der Notärztinnen und Notärzte im organisierten Rettungsdienst auf ein europäisches Format gehoben.

Ereignisreich war das Jahr auch deshalb, weil im Juni 2019 die Euroanaesthesia in Wien stattfand. Neben vielen anderen österreichischen Beiträgen zum Gelingen des Kongresses hat die ÖGARI auch mehrere interessante Sitzungen und einen Stand organisiert und konnte einen viel beachteten Akzent im anästhesiologischen Europa setzen.

Plangemäß stattfinden konnte im Frühjahr 2019 zum zweiten Mal eine ÖGARI-Strategieklausur mit Anästhesie-Abteilungsleiterinnen und -leitern aus ganz Österreich in Anthering bei Salzburg. Auch diese war dem Thema Nachwuchs und Ausbildung gewidmet, außerdem wurde auch die Frage der Subspezialisierungen innerhalb unseres Faches diskutiert. Zu beiden Themen haben wir – ebenso wie zu den Themen der Strategieklausur im Jahr davor, die der Frage der Doppelprimariate und der Delegation von ärztlichen Tätigkeiten an nichtärztliche Gesundheitsberufe gewidmet war – in der Folge Positionspapiere auf unserem Blog und in den Anästhesie Nachrichten veröffentlicht.

Apropos Anästhesie Nachrichten: Die letzten beiden Jahre waren auch geprägt von einer weiteren Verstärkung der Öffentlichkeitsarbeit und der öffentlichen Sichtbarkeit der ÖGARI – geplant und durch die Umstände befördert. Durch die Kooperation mit dem Verlag der Zeitschrift hat unser Fach nun auch wieder ein publizistisches Sprachrohr. Wir haben auch unsere eigenen Kanäle erweitert, etwa die Themenvielfalt unseres Blogs anaesthesie.news weiter gefördert, ihn durch einen eigenen Facebook-Auftritt unterstützt, und unsere Pressearbeit weiter ausgebaut: Maßnahmen, die nicht nur zur Sichtbarkeit der Anästhesiologie wesentlich beigetragen haben, sondern die sich dann besonders auch in der Krise bewähren sollten.

Bewegt war das Jahr 2019 auch innenpolitisch. Wir alle erinnern uns an das Zerbrechen der Koalition und die darauf folgenden Neuwahlen im September. Ein Anlass für die ÖGARI, unsere Anliegen und zentrale gesundheitspolitische Erfordernisse aus Sicht unseres Faches für die Koalitionsverhandler und künftigen Verantwortlichen zu formulieren – insbesondere auch was die Nachwuchsförderung und einen drohenden Fachkräftemangel in der Anästhesie und Intensivmedizin betrifft. 

Eine wichtige Voraussetzung dafür, der Politik auch die Dringlichkeit dieser Thematik deutlich machen zu können, hatten wir zuvor mit einer demographischen Analyse der Anästhesie in Österreich geschaffen, für die das Consultingunternehmen BDO Healthcare eine Online-Umfrage durchgeführt hatte. Die Ergebnisse konnten wir 2019 und 2020 mit Politikerinnen und Politikern auf kommunaler, Landes- und Bundesebene ausführlich diskutieren und Verständnis wecken.

Zu Ende ging das durchaus erfolgreiche und arbeitsintensive ÖGARI-Jahr 2019 mit einer sehr gelungenen Jahrestagung in Graz – auch der gut besuchte AIC stand unter dem Motto „Ausbildung sichert uns die Zukunft“.

Am 7. Jänner 2020 wurde dann die neue  Regierung angelobt – und auch diesen Anlass  haben wir genutzt, die neuen politisch Verantwortlichen auf die aus unserer Perspektive zentralen gesundheitspolitischen Themen aus allen Säulen der Anästhesiologie hinzuweisen.

Doch all dies sollte sehr rasch überschattet werden von der Verbreitung eines Virus, das wir bald viel besser kennen lernen sollten als wir je gedacht hätten: Ende Jänner erklärte die WHO das SARS-CoV-2 Virus zur  internationalen Gesundheitsbedrohung, Mitte März erfolgte dann die Ausrufung der Pandemie.

Rasch begaben wir uns alle in den Krisenmodus – die anästhesiologisch-intensivmedizinischen Abteilungen ebenso wie die ÖGARI, die rasch ihre Aktivitäten den ungewöhnlichen Umständen angepasst hat. Es war uns von Anfang an ein Anliegen, unsere Mitglieder und darüber hinaus alle anästhesiologisch und intensivmedizinisch tätigen Kolleginnen und Kollegen bestmöglich mit Informationen und Vernetzung zu unterstützen. So haben wir unsere Kommunikationskanäle für eine deutlich verstärkte Information in Richtung der Anästhesie-Gemeinschaft genutzt, um den fachlichen Informationsaustausch optimal zu unterstützen. Von engagierten Teams wurden innerhalb kürzester Zeit Empfehlungen veröffentlicht – hingewiesen sei hier auf die mehrfach aktualisierte ICU-Therapieguideline von ÖGARI, FASIM und ÖGIAIN sowie die ECMO-Empfehlungen der genannten intensivmedizinischen Gesellschaften; die klinische-ethischen Empfehlungen der ARGE Ethik zur Intensivtherapie bei COVID-19-Patientinnen und Patienten; oder die COVID-Empfehlungen der ARGE Perioperative Gerinnung. Dazu haben wir uns auch von Anfang an bemüht, zu einer seriösen und fachlichen Information der Öffentlichkeit beizutragen – durch aktive Stellungnahmen und Kommentare und zahlreiche Interviews, in denen wir die Risiken einer Überforderung der Intensivressourcen deutlich machten.

Im Sommer 2020 konnte erst einmal eine durchaus positive Zwischenbilanz gezogen werden: Österreich hatte es – nicht zuletzt dank der guten intensivmedizinischen Infrastruktur und der gewissenhaften Vorbereitung in den Spitälern, insbesondere  unter Mitwirkung der anästhesiologischen Abteilungen – geschafft, in der ersten Welle eine Überlastung des Versorgungssystems zu vermeiden und damit weiterhin unsere gewohnte individualisierte Intensivmedizin sicherzustellen.

Die vermehrte öffentliche Aufmerksamkeit nutzend, haben wir am 20. Juni 2020 erstmals in Österreich den „Tag der Intensivmedizin“ begangen. Mit dieser Informations-Initiative konnte die ÖGARI – unter anderem mit vielen Videobotschaften, Fotos und Statements – aufzeigen, was hinter dem für viele Menschen abstrakten Begriff Intensivmedizin steht, was intensivmedizinische Tätigkeit praktisch bedeutet, was dieses Spezialgebiet leistet und was für die Zukunft erforderlich ist.

Wir haben aber auch bereits im Sommer und frühen Herbst darauf hingewiesen, dass die – epidemiologisch gesehen – etwas ruhigere Zeit genutzt werden muss, um uns auf erneute Anstiege der Infektionszahlen vorzubereiten: Eine Situation, die dann bedauerlicherweise ja auch tatsächlich in Form einer deutlich wuchtigeren zweiten Welle eintraf. Mit viel Engagement haben wir in der Öffentlichkeit dafür geworben, den Ernst dieser Entwicklung nicht zu unterschätzen – dies unter anderem mit viel beachteten „Stimmen aus der Intensivmedizin“-Videobotschaften von Ärztinnen, Ärzten und Pflegepersonen aus intensivmedizinischen Abteilungen. Immerhin – die Politik hat verstärkt auf unsere Expertise gehört, weitere Pandemie-Maßnahmen folgten.

Bemerkenswert war im November auch unser Jahreskongress – auch dieser eine Premiere: Denn der AIC hatte Digitalisierung nicht nur zum thematischen Motto, sondern erstmals in seiner Geschichte fand der AIC auch ausschließlich auf digitaler Basis statt.

Wenn in den kommenden Tagen der neue ÖGARI-Vorstand sein Amt antritt, können wir leider nach wie vor noch nicht von einer Post-Pandemie-Phase sprechen. Im Gegenteil, aktuell sind wir wieder mit steigenden Infektionszahlen und einer massiv steigenden Auslastung der Intensivkapazitäten konfrontiert.

Leider wird uns diese Gesundheitskrise also auch noch weiter begleiten. Aber wir haben uns schon jetzt auch mit der Zukunft unseres Fachs beschäftigt. Die große Aufmerksamkeit, die derzeit der Intensivmedizin zuteil wird, nutzend haben wir im Rahmen des Wiener Anästhesietalks im Februar mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober, Dr. Eva Dichand, Herausgeberin der Tageszeitung Heute und Vorsitzende des Universitätsrates der MedUni Wien und  SR Mag. Richard Gauss, Bereichsleiter der Geschäftsgruppe Soziales, Gesundheit und Sport der Stadt Wien, Konsequenzen der SARS-CoV-2-Krise für die Anästhesie und Intensivmedizin und aktuelle Entwicklungen, die für die Zukunft der Intensivmedizin entscheidend sind, diskutiert. Die dabei von uns präsentierten Vorstellungen wurden in einer Pressemitteilung veröffentlicht, auch entsteht derzeit auch ein Positionspapier der ÖGARI, das wir bald publizieren werden.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich bei allen Kolleginnen und Kollegen im ÖGARI-Vorstand für die großartige Zusammenarbeit in diesen bewegten zwei Jahren zu bedanken, insbesondere bei Frau Prof. Eva Schaden, Herrn Prim. PD Dr. von Goedecke, Herrn Prof. Christoph Hörmann und meinem Nachfolger im Amt, Herrn Prof. Walter Hasibeder. Für die umfangreiche administrative Unterstützung danke ich insbesondere Frau Jurak und Herrn Schellander, für die professionelle Betreuung der Fachgesellschaft in der Öffentlichkeitsarbeit danke ich Frau Dr. Birgit Kofler von Bettschart & Kofler. Natürlich gilt mein weiterer Dank auch den ÖGARI-Arbeitsgruppen und der Firma Campus. Allen Mitgliedern danke ich für ihr hervorragendes Engagement in dieser Pandemie unser Fach und die aktive Teilnahme an den Aktivitäten der ÖGARI!

Ich wünsche meinem Nachfolger Prof. Walter Hasibeder alles Gute für seine spannende neue Aufgabe und freue mich, dem Vorstand auch weiterhin in der Funktion des Past Präsidenten zur Verfügung stehen zu dürfen.