Themenschwerpunkt: Schmerzmedizinische Versorgung älterer Menschen

Vor wenigen Tagen ging der Deutsche Schmerz- und Palliativtag zu Ende, der in diesem Jahr erstmalig online stattfand. Ein Kongressschwerpunkt war dem Thema „Schmerz und Alter“ gewidmet, dem Umgang mit der besonderen Komplexität der Versorgung alter, multimorbider Patientinnen und Patienten. Angesichts der wachsenden Zahl chronischer Schmerzpatienten forderten Kongresspräsident Dr. Johannes Horlemann, Kevelaer, und Tagungspräsident Dr. Thomas Cegla, Wuppertal, die Sicherung der schmerzmedizinischen Versorgung durch eine rechtssichere Bedarfsplanung.

„Mit der Zunahme der Zahl an älteren Schmerzpatienten wird sich die heute schon unzureichende schmerzmedizinische Versorgung weiter verschärfen“, sagte beim Deutschen Schmerz- und Palliativtag Online Dr. Johannes Horlemann, Kongresspräsident und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS). „Wir müssen in den nächsten Jahren dafür sorgen, dass mehr Ärzte und Therapeuten für die Behandlung von Schmerzpatientinnen und -patienten ausgebildet werden.“ Gleichzeitig müssten aber auch die Politik und Kassenärztliche Vereinigungen die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen, forderte der DGS-Präsident.

Bessere Schmerzmedizin für ältere Menschen

Um den besonderen Anforderungen gerecht zu werden, die die Behandlung älterer Menschen mit chronischen Schmerzen mit sich bringt, hat die DGS anlässlich der Online-Tagung ein Thesenpapier zu diesem Thema veröffentlicht. Eine zentrale Forderung der neuen Publikation: Die Schmerztherapie bei älteren Menschen sollte sich verstärkt an deren Bedürfnissen und ihrer Lebensqualität ausrichten. Bereit die Diagnostik sollte altersadaptiert erfolgen.

Da ältere Schmerzpatientinnen und -patienten häufig auch an weiteren Erkrankungen leiden und Polypharmazie in dieser Gruppe weit verbreitet ist, ist auch das Interaktionspotenzial erhöht. Dies richtig einzuschätzen vermeide gefährliche Komplikationen, so Tagungspräsident Dr. Thomas Cegla, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin. Diese müsse verordnete Medikamente ebenso wie OTC-Präparate umfassen. Inzwischen verfolgen zahlreiche Initiativen das Ziel, die Anzahl von Medikamenten bei älteren Menschen zu verringern. „Insgesamt sind Schmerzmedizinerinnen und -mediziner gut beraten, besonders bei multimorbiden älteren Schmerpatienten eng mit anderen Behandlern und Apotheken zusammenzuarbeiten“, so Tagungspräsident Dr. Cegla.

Schmerztherapie älterer Menschen erfordert Zeit für intensive Gespräche

Zwei Aspekte seien entscheidend, um bei älteren Menschen eine gute Schmerztherapie zu ermöglichen: Eine hochdifferenzierte Schmerzdiagnostik und die Einsicht, dass ältere Menschen Expertinnen und Experten für ihre eigene Gesundheit sind. Das betonte Prof. DDr. h.c. Andreas Kruse, Direktor des Instituts für Gerontologie an der Universität Heidelberg, in einem Vortrag beim Deutschen Schmerz- und Palliativtag.

Schmerzmedizinerinnen und -mediziner sollten gezielt nachfragen, zu welcher Tageszeit und in welchen Situationen die Schmerzen intensiver bzw. weniger intensiv wahrgenommen werden und was Betroffenen dabei hilft, die Schmerzen besser zu kontrollieren. Außerdem sollten Ärztinnen und Ärzte die Expertise älterer Patientinnen und Patienten für die eigene Gesundheit nutzen und Fragen danach stellen, wie sie etwa auf bestimmte Analgetika und deren Dosierung reagieren oder ob und wie begleitende Therapiemaßnahmen ihnen helfen. Auch die körperliche Aktivität sowie psychische Rahmenbedingungen sollten Behandlerinnen und Behandler kennen, denn all diese Aspekte seien die Basis dafür, dass therapeutische Maßnahmen wirksam sein können, so Prof. Kruse.

Dabei sei das Verständnis von der Diversität des Alters und des Alterns wichtig. „Je älter Menschen werden, desto verschiedener werden sie“, so Prof. Kruse. Diese Erkenntnis müsse sich in der ärztlichen Diagnostik, Beratung und Therapie widerspiegeln. Denn sowohl körperliche, als auch psychische und soziale Aspekte beeinflussen das Schmerzerleben. Auch wenn gerade bei vielen älteren Patienten keine völlige Schmerzfreiheit zu erreichen sei, sei es doch wichtig, Schmerzen so zu lindern, dass die Patienten eine gute Lebensqualität erreichen. Eine wichtige Basis dafür, so Prof. Kruse, sei das Vertrauensverhältnis zwischen Ärztinnen und Ärzten und Menschen mit chronischen Schmerzen.

Schmerztherapie bei Demenz

Bei Patientinnen und Patienten im fortgeschrittenen Alter haben es Schmerzmediziner immer häufiger auch mit Menschen mit höhergradigen kognitiven Beeinträchtigungen zu tun. Die Vorstellung, dass Demenzpatientinnen und -patienten Schmerzen nicht so stark verspüren, ist heute revidiert. „Menschen mit einer Alzheimer-Erkrankung sind meist zusätzlich von körperlichen Erkrankungen betroffen und erleben häufig auch Schmerzen. Aber sie können sie oft nicht gut ausdrücken“, so Prof. Kruse. Gerade bei diesen Personen sei die hohe Kunst der Diagnostik gefragt, bei der sich Ärztinnen und Ärzte auf nonverbale Hinweise wie Stöhnen, Agitiertheit oder aggressives Verhalten als Hinweise auf die Schmerzen fokussieren müssen. (Redaktionsteam/BKB)

Quelle:
www.schmerz-und-palliativtag.de
www.dgschmerzmedizin.de