Der kürzlich zu Ende gegangene Online-Kongress der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) widmete sich unter anderem schwierigen Kontroversen am Lebensende und dem Einfluss der aktuellen Corona-Pandemie auf die Versorgung Schwerstkranker. Der diesjährige Förderpreis für Palliativmedizin ging an eine Gruppe der Klinik und Poliklinik für Palliativmedizin, LMU Klinikum München, die sich mit der bisher größten Studie im internationalen Vergleich zur Effektivität einer Atemnotambulanz um die Weiterentwicklung der Palliativmedizin besonders verdient gemacht hat.

„Die gesellschaftliche Solidarität mit schwachen, schwerkranken, alten und isolierten Menschen ist mehr denn je gefordert“, betonte der Vizepräsident der Deutschen Palliativgesellschaft (DGP) und Präsident des diesjährigen virtuellen DGP-Kongresses Dr. Bernd-Oliver Maier: „Es geht nicht nur darum, wie wir gefährdete Personengruppen vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 schützen können. Ebenso wichtig ist es, Menschen mit einer weit fortgeschrittenen lebensbegrenzenden Erkrankung, einem schweren COVID-19-Verlauf oder Multimorbidität im Alter auch unter erschwerten Bedingungen zu unterstützen. Unter dem Motto „Kontroversen am Lebensende“ widmete sich der Kongress nicht nur der aktuellen Pandemie, sondern auch der deutschen Sterbehilfe-Debatte. „Das Leitmotiv des Kongresses steht für die Themen, die uns in der DGP bewegen und für die es keine einfachen Lösungen gibt“, erklärte DGP-Präsident Prof. Dr. Lukas Radbruch und nannte beispielhaft die Darstellung des Lebensendes in den Medien oder den Umgang mit der Sterbehilfe nach dem Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts.“

Gerade jetzt dürfe deshalb nicht nachgelassen werden in den Bemühungen um eine flächendeckend hochwertige Hospiz- und Palliativversorgung, betonte auch Gerd Nettekoven, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Krebshilfe. Trotz der grundsätzlich guten Entwicklung der deutschen Palliativmedizin sehen die Expertinnen und Experten nach wie vor auch Defizite. Insbesondere im ländlichen Bereich ist die palliativmedizinische Versorgung noch lückenhaft. Auch die universitäre palliativmedizinische Ausbildung lässt in der Breite weiterhin zu wünschen übrig.

Gerade weil der Kongress “Kontroversen am Lebensende” zum Thema hatte, war dem fachlichen Austausch über ethisch brisante Themen besonderer Raum gewidmet, so Kongresspräsident Dr. Kurt W. Schmidt, Leiter des Zentrums für Ethik in der Medizin, Frankfurt/Main. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde beispielsweise die ethisch provokante Frage gestellt: Muss nun „Sterbehilfe“ eine Handlungsoption in der Palliativversorgung sein? Diese Frage ist gerade deshalb so herausfordernd, weil sie im Kern die Werthaltungen jedes Einzelnen, jedes Palliativteams und letztlich der gesamten Fachgesellschaft betrifft, betonte Dr. Schmidt. „Es geht um nichts weniger als um Gewissensentscheidungen, um meine eigene Identität und um die stets neue Frage, wie medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaften die Pluralität von Meinungen in ethisch brisanten Fragen unter einem Dach versammeln können, ohne ihr Profil zu verlieren.“

Studie zur Wirksamkeit einer multiprofessionell besetzten Atemnotambulanz ausgezeichnet

Der diesjährige Förderpreis für Palliativmedizin wurde im Rahmen des virutellen Kongresses an eine Gruppe von Forscherinnen und Forschern der Klinik und Poliklinik für Palliativmedizin, LMU Klinikum München, verliehen, die sich mit der bisher größten Studie im internationalen Vergleich zur Effektivität einer Atemnotambulanz um die Weiterentwicklung der Palliativmedizin besonders verdient gemacht hat.1

Das Ziel der BreathEase-Studie war, so die Autorinnen und Autoren, „die Evaluation der Wirksamkeit und der Kosteneffektivität einer multi-professionellen Atemnot-Ambulanz auf den Umgang mit und das Beherrschen von Atemnot und die Lebensqualität von Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenen chronischen nicht-malignen oder malignen Erkrankungen und deren Angehörigen. Atemnot ist ein häufiges und stark belastendes Symptom bei fortgeschrittenen nicht-malignen und malignen Erkrankungen, insbesondere bei chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen, Lungenfibrose, pulmonaler Hypertonie, chronischer Herzinsuffizienz und Tumorerkrankungen.“

Erstautorin Dr. Michaela Schunk fasst zusammen: „Die eingereichte Studie ist die bisher größte Studie im internationalen Vergleich, die die Effektivität einer Atemnotambulanz beschreibt. Früher veröffentlichte Studien stammen vor allem aus England. Wir haben das in England entwickelte Modell einer Atemnotambulanz erfolgreich auf das deutsche Gesundheitssystem übertragen und haben mit der BreathEase Studie für Deutschland eine neue und umfassende Datengrundlage geschaffen.“

In der Gesamtbewertung kam die Jury zum Ergebnis: „Die Autorinnen und Autoren widmeten sich einem palliativmedizinisch hoch relevanten Thema. Die Arbeit ist methodisch herausragend. Sie demonstriert, dass Studien in der Palliativmedizin wissenschaftliche Standards erfüllen können, die keinen Vergleich mit anderen Disziplinen scheuen müssen.“

Bei der virtuellen Preisverleihung hob DGP-Präsident Prof. Radbruch die Bedeutung der Arbeit hervor: „Das Ergebnis der umfassenden Studie, dass Patientinnen und Patienten, die die Atemnot-Ambulanz besuchen, Erleichterungen im Umgang mit Belastungen infolge der Atemnot sowie eine verbesserte  Lebensqualität erleben, kann die Fortentwicklung palliativmedizinischer Versorgungskonzepte wie auch die Etablierung weiterer Atemnot-Ambulanzen voranbringen.“ (red)

1 Schunk M, Le L, Syunyaeva Z, Haberland B, Tänzler S, Mansmann U, Schwarzkopf L, Seidl H, Streitwieser S, Hofmann M, Müller T, Weiß T, Morawietz P, Rehfuess EA, Huber RM, Berger U, Bausewein C, Klinik und Poliklinik für Palliativmedizin, LMU Klinikum München. Effectiveness of a specialized breathlessness service for patients with advanced disease in Germany: a pragmatic fast track randomized controlled trial (BreathEase)”