ÖGARI-Corona-Update: Präsident Prim. Univ.-Prof. Dr. Walter Hasibeder kommentiert für anaesthesie.news wieder aktuelle Studien rund um SARS-CoV-2. In der aktuellen Literaturübersicht geht es um die Effektivität der mRNA-Impfstoffe, das Nachlassen des Impfschutzes und den dritten Stich, die Auswirkungen einer COVID-19-Erkrankung auf Schwangere, die Frage der Antikoagulation bei Patientinnen und Patienten, die nicht hospitalisiert sind, und Neues zur medikamentösen Therapie von COVID-19.

Effektivität der mRNA-Impfstoffe in der realen Welt, Nachlassen des Impfschutzes und der 3. Stich

Wie ist die Effektivität von mRNA Impfstoffen Erkrankungen nach einer SARS-CoV-2-Infektion in einer älteren, polymorbiden Bevölkerung? Dieser Frage geht eine große Fall-gematchte Studie nach, die die Datenbank der US-Veteranengesundheitseinrichtungen benutzt hat. Insgesamt wurden 6.647.733 Veteraninnen und Veteranen inkludiert (JAMA Network Open 2021; 4: e2128391). Erfasst wurden der Impfstatus der Teilnehmenden: Geimpft, teilgeimpft, ungeimpft, Infektionsstatus (PCR oder Antigentest), Hospitalisierungsrate und Sterberate an COVID-19, Demographie und Vorkrankheiten im Zeitraum vom 14. Dezember 2020 bis 14. März 2021. In diesem Zeitraum waren die ?-Virusvariante („britische“ Variante) sowie die Epsilon- und Iota-Varianten des SARS-CoV-2 Virus  am Infektionsgeschehen beteiligt. Infektionsfälle und Kontrollgruppe wurden nach der Zeit der Testung und nach der geographischen Region gematcht. Während des Studienzeitraums waren 1.363.180 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zumindest ein Mal geimpft. 32 Prozent der voll- oder teilgeimpften Veteraninnen und Veteranen waren über 65 Jahre alt, 19 Prozent waren obdachlos und 40 Prozent lebten in Langzeitpflegeeinrichtungen. Die Effektivität der mRNA-Impfstoffe zur Verhinderung einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus lag bei vollständig Geimpften bei 95 Prozent, bei Teilgeimpften bei 64 Prozent. Die Effektivität gegen Hospitalisierungen lag bei 91 Prozent. Kein einziger vollständig Geimpfter ist im Beobachtungszeitraum an COVID-19 verstorben.

Gleich mehrere Untersuchungen, die in letzter Zeit publiziert wurden, haben sich mit den Risiken von Durchbruchsinfektionen bei bereits Geimpften und mit der Sinnhaftigkeit des „Impfboosterns“ („3.Stich“) beschäftigt. In zwei dieser Untersuchung der CDC ging es zunächst um die Effektivität der mRNA-Impfstoffe gegen eine COVID-19 Erkrankung.

Die Studie von Thomson, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern untersuchte über 50 Jahre alte Erwachsene, von denen im Zeitraum zwischen dem 1. Jänner 2021 und dem 22. Juni 2021 41.500 in 187 US-Krankenhäusern aufgenommen wurden, und 21.500 eine von 221 Notfalleinrichtungen aufsuchten (NEJM 2021; doi: 10.1056/NEJMoa2110362). Der Schutz einer Vollimmunisation mit mRNA-Impfstoffen vor einer Krankenhausaufnahme wegen einer COVID-19 Erkrankung betrug 89 Prozent,  90 Prozent vor einem Intensivstationsaufenthalt bedingt durch COVID-19 und 91 Prozent vor einem Besuch einer Notfalleinrichtung wegen symptomatischer COVID-19 Erkrankung. Bis zu 112 Tage nach der Vollimmunisierung war die Effektivität der Impfstoffe gegen eine symptomatische Erkrankung in dieser Studie unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit, dem Vorliegen von chronischen Vorerkrankungen oder einem hohen Alter von mehr als 85 Jahren.

Pilishvili et al. untersuchten die Wirksamkeit der mRNA-Impfstoffe bei 109.865 im Gesundheitssystem tätigen Personen. Im Zeitraum von Dezember 2020 bis Mai 2021 wurden 8.365 Personen positiv auf das SARS-CoV-2 Virus getestet (NEJM 2021; doi: 10.1056/NEJMoa2106599). Der Schutz vor Infektionen lag bei Vollimmunisierten bei 90,4 Prozent. Allerdings war die Schutzwirkung bei Personen mit Immunsuppression durch Krankheit oder Therapie mit 39,1 Prozent deutlich vermindert. Die Effektivität der Schutzimpfungen gegen Erkrankungen war Zeit-abhängig und ließ im Zeitraum zwischen der 9. und 14. Woche nach dem 2. Stich geringfügig nach.

In einem „Follow-up“ zur Placebo-kontrollierten Moderna-Studie wurde die Wirksamkeit des Modern-mRNA Impfstoffes gegen das SARS-CoV-2 Virus zeitlich weiter verfolgt (NEJM 2021; doi: 10.1056NEJMoa2113017). Der ursprüngliche Beobachtungszeitraum wurde von 64 Tagen auf 183 Tage ausgeweitet. Noch ein halbes Jahr nach der Impfung war der Impfschutz gegen eine symptomatische COVID-19 Erkrankung 93,2 Prozent, gegen eine schwere, lebensbedrohliche Erkrankung 98,2 Prozent und gegen eine asymptomatische Infektion 63 Prozent.

Levin et al. haben bei 3.808 voll immunisierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Gesundheitssystem monatlich die Anti-Spike-neutralisierenden Antikörper und die SARS-CoV-2 neutralisierenden Antikörper gemessen (NEJM 2021; doi: 10.1056/NEJMoa2114583). IgG-Antikörper kumulierten zwischen dem 4. und 30. Tag nach dem 2. Stich und fielen danach kontinuierlich über die gesamte Beobachtungszeit ab. Neutralisierende Antikörper fielen in den ersten drei Monaten etwas stärker und anschließend nur mehr langsam bis zum 6. Monat. Generell waren die Antikörperabfälle größer bei den älteren Teilnehmern, bei Männern und bei Vorliegen von zwei oder mehr Vorerkrankungen.

In einer weiteren Untersuchung wurde die Effektivität des mRNA-Impfstoffs von Pfizer-BioNtec bei 3.346.957 Menschen in Südkalifornien untersucht (Lancet 2021; doi: 10.1016/S0120-6736(21)02183-8). Die Effektivität des Impfstoffes, also die Verhinderung einer Infektion, lag im 1. Monat bei 88 Prozent und fiel auf 47 Prozent bis zum 5. Monat nach Vollimmunisierung. Allerdings war der Schutz vor moderaten bis schweren Infektionen mit Notwendigkeit einer Krankenhausaufnahme über den gesamten Beobachtungszeitraum mit 88 Prozent sehr hoch. Die Wirksamkeit gegenüber Infektionen mit der Delta-Variante war im ersten Monat nach Vollimmunisierung gleich gut wie gegen andere Varianten. Allerdings nahm der Impfschutz gegen Delta in den folgenden Monaten etwas stärker ab als gegen andere Varianten.    

Bar-On et al. haben in Israel die Wirksamkeit einer dritten Impfung mit dem mRNA-Impfstoff von Pfizer-BioNtec bei Patientinnen und Patienten mit mehr als 60 Jahren näher untersucht (NEJM 2021; doi: 10.1056/NEJMoa2114255). Als Grundlage dieser Untersuchung diente die Datenbank einer der größten israelischen Krankenversicherungen. Insgesamt wurden zwischen Juli 2021 und dem 31. August 2021 1.137.804 Menschen evaluiert. Menschen mit einer „Booster“-Impfung haben – im Vergleich mit 2-fach geimpften Personen – 14 Tage nach der Auffrischung ein um 11,3-fach verringertes Risiko für eine mittels PCR-Diagnostika nachgewiesene Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus. Das Risiko für einen schweren COVID-19 Verlauf war sogar um das 19,5-fache verringert.

Fazit: Alle Studien zeigen, dass besonders mRNA-Impfstoffe einen hervorragenden Schutz gegen symptomatische Infektionen, Hospitalisationen, Intensivstationsaufenthalt und Tod  bieten. Berechnung der Gesundheit Österreich haben alleine in den Monaten von Februar bis September 2021 für Österreich ergeben, dass durch die Impfung rund 11.500 Krankenhausaufenthalte, 3.200 Intensivstationsaufenthalte und 3.600 Todesfälle vermieden wurden! Ich würde behaupten, dass Impfstoffe gegen das SARS-CoV-2 Virus die bisher am besten untersuchten und durch zahlreiche Studien kontrollierte Impfstoffe darstellen. Die Sicherheit besonders der mRNA-Impfstoffe ist extrem hoch und wird laufend monitiert. Leider lässt die Schutzwirkung mit der Zeit, ähnlich wie bei anderen Impfstoffen, nach. Aus diesen Gründen sollten sich ältere Menschen, vorerkrankte Menschen und Personen mit besonderer Expositionsgefahr, zum Beispiel auf COVID-Stationen oder Stationen mit besonders vulnerablen Patientinnen und Patienten tätige Menschen, unbedingt nach spätestens sechs bis acht Monaten einer Booster-Impfung unterziehen. Bei jüngeren und gesunden Menschen erscheint die Booster-Impfung nach etwa acht bis zwölf Monaten sinnvoll zu sein. Nur die Impfung ist in der Lage, die derzeitige Pandemiesituation in eine Endemie-Phase überzuleiten. In der Endemie-Situation besteht innerhalb der Bevölkerung eine Herdenimmunität, die einerseits garantiert, dass die meisten SARS-CoV-2 Infektionen mild bis moderat verlaufen, ähnlich den Infektionen mit anderen respiratorischen Viren, und dass andererseits unsere vulnerablen Bevölkerungsgruppen einigermaßen durch die teilweise oder vollständige Immunität der Bevölkerung geschützt sind. Leider sind wir derzeit noch meilenweit von dieser Situation entfernt.

Auch Kinder und Jugendliche erkranken durch eine Infektion mit der Delta- Variante schwerer als dies bei früheren Varianten der Fall war (JAMA 2021; 326: 1366). Dies zeigen neue Daten der CDC über eine 5-fach höhere Hospitalisierungsrate bei Kindern und Jugendlichen in diesem Sommer, verglichen mit früheren Zeiträumen. Die Hospitalisierungsrate ist bei Kindern von 0,3 Prozent pro 100.000 Infektionen auf 1,4 Prozent pro 100.000 angestiegen. Eine 10-fache Erhöhung der Hospitalisierungsraten wurde in der Altersgruppe der 0- bis 4-Jährigen beobachtet (0,2 Prozent auf 2  Prozent pro 100.000 Infektionen). Ein Viertel der hospitalisierten Kinder musste auf Intensivstationen behandelt werden. Auch die Zahl invasiv beatmeter Patientinnen und Patienten hat sich mit der Delta-Variante von 6 auf 10 Prozent erhöht. Vergleicht man teil- oder vollständig geimpfte Kinder und Jugendliche mit nicht-Geimpften, dann ist das Risiko für letztere für einen schweren Verlauf zirka zehn Mal höher.

Immunsupprimierte Patientinnen und Patienten haben ein deutlich erhöhtes Risiko, eine schwere COVID-19-Erkrankung zu entwickeln, und sind leider von den Zulassungsstudien für Impfstoffe ausgeschlossen. Dazu zählen auch Patientinnen und Patienten nach Organtransplantationen. In der Regel werden diesen Impfungen mit Todimpfstoffen oder inaktivierten Toxinen empfohlen. Ein vermindertes Ansprechen des körpereigenen Immunsystems auf diese Antigene ist seit langem bekannt. Auch die mRNA-Impfstoffe gegen das SARS-CoV-2 Virus werden dieser Patientengruppe empfohlen. Eine prospektive kanadische Untersuchung berichtete erstmals über die Effekte einer Drittimpfung mit dem mRNA-impfstoff von Moderna auf die Immunantwort, gemessen als Antikörper gegen die Rezeptor bindende Domäne (RBD) des Spikeproteins und als zelluläre Immunantwort der T-Lymphozyten (NEJM 2021; doi: 10.1056/NEJMc2111462). Antikörper > 100 U/ml gegen die RBD des Spikeproteins wurden nach dem 3. Stich bei 55 Prozent der Patientinnen und Patienten erreicht. Nur 18 Prozent der Kontrollpatientinnen und -patienten mit zweifacher Impfung erreichten diesen Schwellenwert. Auch die SARS-CoV-2-spezifischen T-Killerzellen stiegen nach der 3. Impfdosis signifikant gegenüber den Kontrollpatientinnen und -patienten an. Während der Untersuchung kam es zu keinen schweren Impfnebenwirkungen oder zu Organabstoßungsreaktionen.

Es ist nicht verwunderlich, dass der Impfschutz nach Organtransplantationen unter immunsuppressiver Therapie geringer ist als bei immunkompetenten Individuen – besonders bei Infektionen mit neuen gefährlichen Virusvarianten wie der Delta-Variante. Die FDA empfiehlt in dieser Gruppe den 3. Stich bereits nach relativ kurzer Zeit, nach zirka einem Monat.Aus meiner Sicht wäre es aber wesentlich wichtiger, dass wir als „gesunde“ Bevölkerung Herdenimmunität durch möglichst vollständige Durchimpfung erreichen. Nur so können wir vulnerable Bevölkerungsgruppen ausreichend vor den Gefahren einer Covid-19 Infektion ausreichend schützen.

Die Effekte von COVID-19 auf Schwangerschaften

Die INTERCOVID Multinationale Kohortenstudie untersuchte die Auswirkungen einer COVID-19-Erkrankung auf die Morbidität und Mortalität von Schwangeren und Neugeborenen in 43 Krankenhäusern aus 18 Ländern. Insgesamt wurden 706 Schwangere mit SARS-CoV-2 Infektion mit 1.424 nicht infizierten, gematchten Schwangeren (Kontrollgruppe) verglichen. 48,6 Prozent der infizierten Schwangeren und 40,2 Prozent der Kontrollpatientinnen waren übergewichtig. Schwangere mit COVID-19 hatten ein signifikant höheres Risiko, eine Präeklampsie oder Eklampsie oder einen schweren Infektionsverlauf zu entwickeln. Infizierte Schwangere benötigten häufiger eine intensivmedizinische Betreuung und hatten ein erhöhtes Risiko zu versterben. Die Symptome Fieber und Atemnot waren mit einem deutlichen Risiko für Schwangerschafts-assoziierten Komplikationen und mit Problemen beim Neugeborenen assoziiert. Frühgeburten und postoperative Morbidität traten bei Kindern von infizierten Schwangeren gehäuft auf. Selbst asymptomatisch infizierte Schwangere zeigten ein erhöhtes Risiko für Schwangerschaftskomplikationen und Präeklampsie. 13 Prozent der Neugeborenen, die bei COVID-19 Patientinnen mittels Kaiserschnitt zur Welt kommen mussten, waren bei der Geburt bereits mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert (positive PCR-Diagnostik), während Stillen der Neugeborene durch PCR-positive Mütter nicht mit einer erhöhten Infektionsrate beim Säugling verknüpft war. Infektionen mit dem  SARS-CoV-2-Virus gefährden Schwangere und Neugeborene. Die bisherigen Daten zeigen keine Schwangerschaft-assoziierten Risiken einer Impfung mit mRNA-Impfstoffen bei Schwangeren nach Abschluss der Organogenese. Um ein erhöhtes Risiko für Schwangerschaftskomplikationen und Tod zu vermeiden, sollten sich Frauen mit Kinderwunsch oder Schwangere ab dem 2. Trimenon unbedingt impfen lassen.         

Die nachfolgende Tabelle zeigt die statistisch signifikanten Anstiege des relativen Risikos für Schwangerschafts- und neonatale Komplikationen im Vergleich mit Kontrollpatientinnen mit dem 95% Vertrauensintervall. Der SNSI beinhaltet neonatale Komplikationen wie z.B. hypoxisch-ischämische Gehirnschädigungen, broncho-pulmonale Dysplasien, transfusionspflichtige Anämie, persistierender Ductus Botalli, intraventrikuläre Blutungen, nekrotisierende Enterokolitis, Retinopathie, Frühgeburtlichkeit. Der SPMMI beinhaltet neben den Komplikationen, die beim SNSI aufgelistet sind, zusätzlich den intrauterinen oder neonatalen Tod und die Notwendigkeit eines Intensivaufenthaltes von mehr als 7 Tagen.

Komplikationen Relatives Risiko (95% KI)
Preeklampsie; Eklampsie, HELLP Syndrom 1,76 (1,27-2,43)
Fetaler Distress 1,7 (1,06-2,75)
Kaiserschnitt Entbindung 1,28 (1,16-1,4)
Frühgeburt (< 37 SSW) 1,59 (1,3-1,94)
Geburtsgewicht < 2500g 1,58 (1,29-1,94)
Severe Neonatal Severity Index (SNSI) 2,66 (1,69-4,18)
Severe Perinatal morbidity and mortality index (SPMMI) 2,14 (1,66-2,75)

Aus einer Datenbank der CDC zur Überwachung der Sicherheit von mRNA-Impfstoffen wurden Daten zum Auftreten von Spontanaborten bis zur 20. Gestationswoche im Vergleich mit historischen Kontrollen publiziert (NEJM 2021; 385:16: 1533-1534).  Berichtet wird über 2.456 Schwangere mit zumindest einer COVID-Teilimpfung.  Insgesamt kam es bei den geimpften Schwangeren in 6,7 Prozent der Schwangerschaften zum Abortus. Diese Abortrate liegt im bekannten Risikobereich der nicht-geimpften Vergleichspopulation (11 bis 22 Prozent). Auch nach Altersadjustierung der Schwangeren bleibt das Abortrisiko innerhalb der historischen Kontrollgruppe. Somit gibt es keinerlei Hinweise auf eine negative Schwangerschaftsentwicklung durch mRNA-Impfstoffe. Die CDC-Daten werden durch eine weitere Fall-kontrollierte Studie gestützt, bei der 100.000 Schwangere inkludiert wurden (JAMA 2021; doi: 10.1001/jama.2021.15494). Die Rate von Spontanaborten war mit zirka 8,6 Prozent bei geimpften Müttern, ähnlich wie im Vergleichskollektiv (12,8 Prozent).

Große Gesundheitsorganisationen wie die CDC empfehlen derzeit (cdc.gov):

  • Eine COVID-19 Impfung für alle Menschen ab 12 Jahre, für alle schwangeren Frauen, für alle stillenden Frauen, für alle Frauen mit Kinderwunsch.
  • Die Vorteile einer Impfung überwiegen, nach heutigen Kenntnisstand auch bei der Schwangeren, bei weiten mögliche Komplikationen im Rahmen der Impfung.
  • Derzeit gibt es keinerlei Beweise, dass irgendein zugelassener COVID-19 Impfstoff die Fertilität von Männern oder Frauen negativ beeinflusst.
  • Schwangere oder Gebärende haben eine deutlich erhöhtes Risiko für eine schwere COVID-19 Infektion.
  • Die Impfung gegen COVID-19 schützt Schwangere vor einem schweren Verlauf, vor einer Aufnahme im Krankenhaus, der Intensivstation und vor einem tödlichen Infektionsverlauf . 

Soll man nicht hospitalisierte Patientinnen und Patienten antikoagulieren?

 Mit dieser Frage beschäftigt sich die ACTIV-4B randomisierte, prospektive Studie (JAMA 2021; doi: 10.1001/jama.2021.17272). Mild bis moderat symptomatisch erkrankte COVID-19-Patientinnen und -Patienten wurden in einem 1:1:1:1 Verfahren randomisiert. Eine Gruppe erhielt Placebo (n=164); eine Gruppe Aspirin 81mg tgl. po. (n=164); eine Gruppe Apixaban 2,5mg 2x tgl. po. (n=165); und eine Gruppe eine therapeutische Apixaban-Dosis 5mg 2xtgl po. (n=165) für insgesamt 45 Tage. Die primären Outcomeparameter waren: Mortalität, Inzidenz von arteriellen und venösen Thrombosen, Inzidenz von Herzinfarkten und Schlaganfällen und die Hospitalisierungsrate aufgrund pulmonaler oder kardiovaskulärer Verschlechterung.

Das mediane Alter der Patientinnen und Patienten in den Gruppen betrug 54 bzw. 55 Jahre. Zirka ein Drittel der Teilnehmenden litten an Hypertension, 15 bis 21 Prozent an Diabetes mellitus und zirka 20 Prozent rauchten. Die mediane Zeitspanne von der Diagnose einer SARS-CoV-2-Infektion bis zur Randomisierung betrug sieben Tage und bis zum Beginn der Studienmedikation weitere drei Tage. Statistisch wurden keinerlei Unterschiede in den Outcomeparametern zwischen den Gruppen gefunden und die Studie wurde vorzeitig abgebrochen, aufgrund der geringen Inzidenz der definierten Outcome-Ereignisse. Ursprünglich hätten 7.000 Personen randomisiert werden sollen. Bezüglich der Outcome-Ereignisse wurden in der Aspirin-Gruppe ein Patient, in den Apixaban-Gruppe zwei bzw. ein Patient und in der Kontrollgruppe kein Patient identifiziert.

Eine Antikoagulationstherapie mit Aspirin oder dem direkten Gerinnungsfaktor-Xa-Hemmer Apixaban verbessert nicht das Outcome (Tod oder kardiopulmonale Komplikationen) und vermindert nicht die Hospitalisierungswahrscheinlichkeit bei Patientinnen und Patienten, die zu Hause mit milden bis moderaten COVID-19-Symptomen behandelt werden. 

In diesem Zusammenhang sei noch einmal auf die bereits in unserem Blog vorgestellten Studien zur therapeutischen Antikoagulation bei intensivpflichtigen und bei hospitalisierten COVID-19-Patientinnen und -Patienten verwiesen. Auch bei kritisch Kranken auf Intensivstationen führt eine therapeutische Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin zu keiner Prognoseverbesserung im Sinne von Überlebensverbesserung oder Reduktion lebenserhaltender, Organ-unterstützender Maßnahmen (NEJM 2021; doi: 10.1056/NEJMoa2103417).   Ganz anders liegen die Ergebnisse bei hospitalisierten, aber noch nicht intensivpflichtige Patientinnen und Patienten.  In dieser Gruppe verbessert eine therapeutische Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin die Überlebensprognose und vermindert die Wahrscheinlichkeit eines Intensivstationsaufenthaltes (NEJM 2021; doi: 10.1056/NEJMoa2105911).   

Fazit: Hospitalisierte Patientinnen und Patienten mit moderater COVID-19-Erkrankung profitieren von einer systemischen Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin. Wie zu erwarten, ist das Blutungsrisiko bei systemischer Antikoagulation zwar erhöht, aber die Vorteile in Bezug auf Mortalität und Morbidität der COVID-19-Erkrankung überwiegen. Bei leichter Erkrankung und bei intensivpflichtigen Patientinnen und Patienten bringt eine systemische Antikoagulation keinerlei Vorteile. Die Nachteile durch das erhöhte Blutungsrisiko überwiegen.

Neues zur medikamentösen Therapie

Eine Antikörpercocktail aus den beiden monoklonalen Antikörprn Casirivimab und Imdevimab (REGEN-COV) verkürzt die Erkrankungsdauer und die Virusausscheidung bei Patientinnen und Pateinten mit Risikofaktoren für einen schweren Erkrankungsverlauf (NEJM 2021; doi: 10.1056/NEJMoa2108163). In dieser Phase 1-2-Studie wurden Risikopatientinnen und -patienten mit positivem PCR-Testergebnis auf SARS-CoV-2 zwei Dosierungen des Antikörper-Cocktails REGEN-COV außerhalb des Krankenhauses infundiert. 1,3 Prozent der Menschen in der 2.400 mg Gruppe, 1 Prozent der Patient*innen in der 1.200 mg Gruppe im Vergleich zu 4,6 Prozent in der Placebogruppe mussten hospitalisiert werden (absolute Risikoreduktion = 3,3% und 3,6%; relative Risikoreduktion = 70%). Die mediane Zeitspanne bis zum Verschwinden der COVID-19-Symptomatik war in den REGEN-COV-Gruppen um vier Tage verkürzt. Ebenso war die Virusausscheidung über die Atemwege bei Patientinnen und Patienten unter REGEN-COV deutlich geringer als in der Placebogruppe.

Ähnliche Ergebnisse berichtet eine weitere Studie, bei der ein Antikörper-Cocktail bestehend aus den monoklonalen Antikörpern Bamlanivimab und Etesevimab oder ein Placebo nicht hospitalisierten Patientinnen und Patienten mit milder bis moderater COVID-19-Erkrankung verabreicht wurden (NEJM 2021; doi:10.1056/NEJMoa2102685). Spitalsaufnahmen und Todesfälle waren in der Antikörper-Gruppe gegenüber Placebo signifikant verringert (2,1 versus 7 Prozent). Die mediane Zeitspanne bis zum Verschwinden der Symptome war um einen Tag verkürzt. Das Auftreten von schweren Nebenwirkungen war in der Placebo- und der Antikörper-Gruppe gleich häufig (1,4 versus 1 Prozent).

Monoklonale Antikörpercocktails dürften zur Prophylaxe einer schweren COVID-19-Erkrankung bei Patientinnen und Patienten mit erhöhtem Risikoprofil von Nutzen sein. Ein Problem dieser Therapie ist die parenterale Anwendung, die zumindest in einer Gesundheitseinrichtung unter ärztlicher Supervision erfolgen sollte, und natürlich die rasche Verfügbarkeit der Antikörper im jeweiligem Land.

Molnupiravir – ein neues orales Virostatikum zur Prophylaxe einer COVID-19-Erkrankung

Zurzeit sind mehrere Virostatika in Entwicklung, die nach einer Exposition mit dem SARS-CoV-2-Virus zur Expositionsprophylaxe wirksam sein sollen. Die Firma MSD berichtet, dass das oral verabreichbare Nucleosid-Analogon Molnupiravir die Häufigkeit einer schweren COVID-19-Erkrankung bei rechtzeitiger Verabreichung halbieren kann (Nature 2021; doi: 10.1038/d41586-021-02783-1). Leider sind die Phase-3-Studiendaten noch nicht veröffentlicht.  Nucleosid-Analoga werden von Zellen, die vom Virus befallenen sind, aufgenommen. Nach Anhängen eines Phosphatrestes durch eine virale Kinase entsteht ein fertiges Nucleosid, das durch die virale RNA-Polymerase in das entstehende Virusgenom eingebaut wird. Üblicherweise fehlen bei dieser Virostatikagruppe dem falschen Baustein eine wichtige Hydroxylgruppe am Zucker, zum Beispiel bei Redemsivir, so dass keine weiteren Nucleoside mehr angebunden werden können – die RNA-Produktion wird also abgebrochen.  Molnupiravir hingegen wird als falsches Nucleosid in das virale Genom eingebaut. Dabei kann die Substanz durch Konformitätsveränderungen Eigenschaften der Nucleoside Cytidin oder Uridin annehmen. Die Aufnahme falscher Nucleoside in das virale Genom hat ähnliche Folgen wie Mutationen ohne positiven Evolutionseffekt. Das Virus „mutiert sich zu Tode“. Rein theoretisch besteht natürlich auch das Risiko, dass dieses falsche Nucleosid in menschliche DANN eingebaut werden kann. Auch dazu gibt es derzeit keine veröffentlichten Daten.

Gilead Sciences arbeitet an einer oral verfügbaren Form von Redemsivir, die ebenfalls als Expositionsprophylaxe für den frühen Einsatz gedacht ist. Eine ebenfalls noch nicht verfügbare Studie berichtet, laut mündlichen Aussagen der durchführenden Wissenschaftler, dass die frühe iv. Gabe von Redemsivir über drei konsekutive Tage die Hospitalisierungsrate von Hochrisikopatientinnen und -patienten um mehr als 80 Prozent reduzieren kann.

Auch die Firmen Pfizer und Atea Pharmaceuticals arbeiten derzeit an neuen oralen Virostatika – momentan heißt es Warten auf die entsprechenden Veröffentlichungen.       

Wie bereits im Anästhesie-Blog der ÖGARI veröffentlicht, gibt es eine neue AWMF-S3-Leitlinie über Empfehlungen zur stationären Therapie von Patientinnen und Patienten mit COVID-19 Erkrankung (AWMF-Register-Nr. 113/001). Im Folgenden werden die wichtigsten Aussagen zur medikamentösen Therapie zusammengefasst:

  1. Infektionsmonitoring und Therapie mit Antibiotika: Da schwere COVID-19 Erkrankungen von einer langanhaltenden und schweren systemischen Inflammation begleitet sind, können erhöhte CRP-Werte oder IL-6 Werte nicht als Hinweise für bakterielle Superinfektion gewertet werden. Es empfiehlt sich die regelmäßige Bestimmung von PCT-Serumkonzentrationen. Ein Ansteigen der PCT-Werte ist oft der erste Hinweis auf eine bakterielle Superinfektion und sollte Anlass zur klinischen Herdsuche, Abnahme von Blut- und anderen Kulturen und, bei sich verschlechterndem klinischen Zustandsbild, Beginn einer breiten Antibiotikatherapie sein.
  2. Bei hospitalisierten Patientinnen und Patienten ohne oder mit nur minimalem Sauerstoffbedarf sollte der Einsatz von Janus Kinase Inhibitoren (JAK-Inhibitoren: Baricitinib, Tofacitinib, Ruxolitinib) erwogen werden. JAK-Inhibitoren hemmen die Wirkung proinflammatorischer Zytokine auf Zielzellen. JAK-Inhibitoren sollten nicht mit IL-6 Rezeptorantagonisten aber bei Sauerstoffpflichtigkeit mit Steroiden kombiniert werden.
  3. IL-6 Rezeptorantagonisten können bei wegen COVID-19 hospitalisierten Patientinnen und Patienten mit rasch progredienten Erkrankungsverlauf erwogen werden. In einer Metaanalyse mit mehr als 6.000 Teilnehmenden zeigte sich ein günstiger Einfluss von Tocilizumab auf die 28-Tage Mortalität (ARR=3,6%). Allerdings sind die Ergebnisse in den einzelnen RCT sehr heterogen. Der Effekt der RECOVERY-Studie mit rund 2.000 Patientinnen und Patienten überwiegt negative oder neutrale Ergebnisse der anderen Studien. In jedem Fall wird eine Kombinationstherapie mit Steroiden po; pS oder iv. empfohlen
  4. Alle Patientinnen und Patienten mit Sauerstoffbedarf sollten Dexamethason 8mg tgl. po. oder iv. oder Hydrocortison 50mg iv. 4x tgl. über zirka 10 Tage erhalten. Eine Therapie mit Steroiden ist bei Fehlen einer respiratorischen Symptomatik nicht angezeigt.
  5. Medikamente wie Ivermectin, Fluoxetin, Colchicin, Azithromycin, Chloroquin, Hydroxychloroquin, die Virostatika Redemsivir, Lopinavir/Ritonavir, Ribavirin, Favipavir, Oseltamivir sowie eine Therapie mit Vitaminen (D3 oder C) oder eine Therapie mit Zink zeigen keinerlei positive Auswirkungen auf den Verlauf einer COVID-19 Erkrankung und sollten, nach derzeitiger Datenlage und unabhängig von der Erkrankungsschwere, nicht verabreicht werden.