Sie gilt als Meilenstein in der Entwicklung der Medizin: Die Narkose
Sie ist für die Schmerzausschaltung, aber auch für die Allgemeinanästhesie & Intensivmedizin unverzichtbar

  • Messung der Hypnosetiefe während der OP verbessert die postoperative Gehirnfunktion
  • Eine Kombination mit regionalanästhesiologischen Mitteln führt in der Schmerztherapie zu einer rascheren Mobilisierung und Rekonvaleszenz der Betroffenen
  • Geriatrische Patient*innen werden u.a. durch eine präoperative Medikamenteneinstellung und eine interdisziplinäre Nachbetreuung versorgt

Wien/Zams 15.10.2022 Seit dem Ausbruch der Pandemie 2020, wo Patient*innen v.a. aufgrund ihrer mangelnden Lungenfunktion zum Teil auf der Intensivstation künstlich beatmet werden mussten, ist das Fachgebiet Anästhesie und Intensivmedizin zunehmend in das öffentliche Interesse gerückt. In den letzten Jahrzehnten hat sich gerade dieses Fachgebiet mit rasender Geschwindigkeit weiterentwickelt. Die zunehmende Sicherheit der Narkosemedikamente und die Überwachungsmöglichkeiten verschiedener Organsysteme haben die Sicherheit für Patient*innen während und nach einem operativen Eingriff extrem verbessert. Die ÖGARI möchte am Welttag der Anästhesie, der jährlich am 16. Oktober begangen wird, auf diese positiven Entwicklungen aufmerksam machen und bestätigt, dass stets die Empathie gegenüber den Patient*innen neben allen innovativen Neuerungen die wichtigste medizinische Maßnahme bleibt.

Die „Hypnose“ oder der Schlaf ist, neben der Schmerzausschaltung, ein wesentliches Element der Allgemeinanästhesie aber auch der Intensivmedizin. In der Intensivmedizin wird eine Hypnose gelegentlich in kritischen Krankheitsphasen, zeitlich begrenzt, nötig. In den letzten Jahren haben wir gelernt, dass gerade ein Zuviel an Hypnose für das menschliche Gehirn schädlich sein kann. „Als junger Anästhesist, habe ich die Berichte von älteren Patient*innen über z.B. zunehmende „Vergesslichkeit“ nach einer Narkose oft nicht ernst genommen.“, erzählt Prim. Univ.-Prof. Dr. Walter Hasibeder, Präsident der ÖGARI. Mittlerweile wissen wir, aus zahlreichen Studien, dass eine Unterdrückung jeglicher Hirnaktivität durch eine zu tiefe Hypnose postoperativ vermehrt zu Störungen der Merkfähigkeit aber auch zum Auftreten eines akuten Delirs führen kann. In zunehmenden Maße werden deshalb routinemäßig technische Verfahren zur Messung der Hypnosetiefe im OP aber auch auf Intensivstationen eingesetzt. Auf den Intensivstationen bemühen wir uns generell, künstliche Schlafphasen so kurz und so oberflächlich wie nur möglich zu halten. Allerdings haben Störungen der Gehirnfunktion besonders bei Intensivpatient*innen oft sehr komplexe Ursachen und sind deshalb bei schweren Erkrankungen, wie z.B. systemischen Infektionen, oft nicht vermeidbar.  

Die „Schmerztherapie“ ist ebenfalls ein zentrales Element der Anästhesie und Intensivmedizin. Vor allem in der Anästhesie haben, mit der zunehmenden Verfügbarkeit des Ultraschalls im OP, die Möglichkeiten, mittels regionalanästhesiologischer Verfahren Schmerzen im OP-Gebiet gezielt auszuschalten, deutlich zugenommen. In Kombination mit Kathetern kann die Regionalanästhesie postoperativ über mehrere Tage fortgeführt werden. „Im Idealfall sind unsere Patient*innen damit komplett schmerzbefreit, was eine raschere Mobilisierung und Rekonvaleszenz nach dem operativen Eingriff ermöglicht.“, berichtet Prof. Hasibeder. Aber auch in der medikamentösen Schmerzbekämpfung hat sich viel getan. Die Schmerztherapie ist durch sinnvolle Kombination von Medikamenten mit verschiedenem Angriffspunkten sicherer und effektiver geworden. Durch Benutzung steuerbarer Schmerzpumpen, können Patient*innen selbst ihre Schmerzspitzen rasch und sicher bekämpfen. 

Die „Muskelrelaxation“, das heißt die medikamentöse Lähmung der Skelettmuskulatur durch den Einsatz „Curare“-ähnlicher Substanzen ist vor allem bei Eingriffen im Bauchbereich ein wichtiges Verfahren um die Operationsbedingungen für Chirurg*innen zu optimieren. In früheren Zeiten war die Muskelrelaxation problematisch und komplikationsbehaftet. Am Ende eines operativen Eingriffes ist es oft nicht gelungen, die Lähmung der Skelettmuskulatur medikamentös komplett aufzuheben, was zu lebensbedrohlichen und gelegentlich tödlichen Komplikationen geführt hat. Mit der Einführung der verpflichtenden Messung der Muskelkraft während der Narkose („Relaxometrie“) und der Entwicklung neuer, sicherer Medikamente können Restrelaxierungen heute komplett vermieden werden.

Die Anästhesie und Intensivmedizin ist aber noch viel mehr!“, erläutert der Präsident der ÖGARI, Prim. Univ.-Prof. Dr. Walter Hasibeder, Abteilung für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin St. Vinzenz Krankenhaus Zams. „Heutzutage behandeln wir zunehmend geriatrische Patient*innen, die oft mehrfach vorerkrankt und mit körperlichen Einschränkungen, großen operativen Eingriffen unterzogen werden. Die perioperative Betreuung der Patient*innen umfasst neben der Einschätzung des Narkoserisikos, der patientengerechten Aufklärung, der präoperativen Medikamenteneinstellung, eine oft komplexe intraoperative Narkoseführung und die interdisziplinäre Nachbetreuung auf Aufwachstationen, Intermediate Care- und Intensivstationen. Neben einem großen allgemeinmedizinischen und fachspezifischen Wissen sind dazu zahlreiche technische und manuelle Fähigkeiten in der klinischen Praxis zu erlernen. Das allerwichtigste jedoch ist die Empathie gegenüber den Patient*innen und das damit einhergehende große Verantwortungsgefühl, das uns zu dauernder Wachsamkeit veranlasst, um negative klinische Entwicklungen rasch zu erkennen und zu behandeln!“  

In Österreich sind derzeit mehr als 3.000 Anästhesist*innentätig. Sie alle haben nach positiv absolviertem Medizinstudium eine fünfjährige Facharztausbildung abgeschlossen, deren Weiterbildung ausschließlich in anerkannten Ausbildungsstätten, wie Krankenhäusern, Universitätskliniken oder Sonderkrankenanstalten erfolgte. Die ÖGARI(Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensiv­medizin) ist als unabhängige Interessens­vertretung der Anästhesist*innen tätig. Sie ist aktiver Gesprächspartner in der Ärztekammer, bezieht Stellung zu gesundheitsrelevanten Themen und übt eine umfangreiche beratende Funktion in der Gesundheitspolitik aus.