Prof. Dr. Walter Hasibeder

VOLUMENSRESUSCITATION NACH KAPILLÄRER FÜLLUNGSZEIT ODER NACH LAKTATCLEARANCE – DIE ANDROMEDA-SHOCK STUDIE

In dieser internationalen, prospektiven, randomisierten Studie (28 Intensivstationen in 5 Ländern) wurden 424 Patient:innen mit septischen Schock in 2 Gruppen randomisiert:

  1. CRF-Gruppe: Bei diesen Patient:innen wurde die Resucitation mittels kapillärer Füllungszeit (CRF) gesteuert. Die CRF sollte innerhalb der ersten 8h nach Randomisierung normalisiert sein (< 3 Sekunden am rechten Zeigefinger standardisiert gemessen)
  2. Laktat-Gruppe:  Bei diesen Patient:innen wurde die Resucitation über die Laktat Clearance gesteuert. Erhöhte Laktatwerte sollten bis 8 Stunden nach Randomisierung wieder normalisiert sein und die Laktat Clearance sollte mindestes 20% pro 2h betragen.

Der primäre Outcomeparameter war die 28 Tage Mortalität. Sekundäre Outcomeparameter waren die 90 Tage Mortalität, die Intensivstationsaufenthaltsdauer, die Beatmungs- und Vasopressor-Tage

Bis zum 28. Tag starben 34,9% der Patient:innen in der CRF und 43,4% in der Laktatgruppe (p< 0.06). In der CRF-Gruppe lag der mittlere SOFA Score 1 Punkt niederer als in der Laktatgruppe (p<0.045). Betrachtet man die Subgruppenanalysen führte die frühzeitige Schockbehandlung nach CRT bei Patient:innen mit einem Ausgangssofa Score < 10 (MODS in der Anfangsphase) zu einer signifikanten Verminderung der 28 Tage Mortalität (p=0.03). Bei bereits fortgeschrittenem MODS wurde kein Gruppenunterschied mehr gefunden.

FAZIT: Auch wenn in dieser Studie ein Unterschied in der 28 Tage Mortalität zwischen CRF und Laktatgruppe knapp verfehlt wurde zeigt sich, dass eine Therapie nach der einfach klinisch zu erhebenden kapillären Füllungszeit zu einer geringeren MODS-Schwere nach 72 Stunden Therapie und bei Patient: innen mit noch moderaten Multiorgandysfunktionen zu einem signifikanten Überlebensvorteil führt. Der Vorteil einer Schocktherapie, welche besonderes klinisches Augenmerk auf die periphere Durchblutung, gemessen als CRF und Temperaturgradient zwischen Körperstamm und Akren nimmt ist auch, dass eine Überresuscitation weitgehend vermieden werden kann. Letztere erscheint genauso schädlich für den Outcome zu sein wie die Unterresuscitation in der Schockphase. In der klinischen Praxis reduzieren wir nach Erreichen einer normalen CRF sofort die Einfuhr bei unseren Patient: innen. Genügt das nicht um weitere Positivbilanzen zu vermeiden werden frühzeitig Diuretika eingesetzt. Bei Patient: innen mit schwerem akuten Nierenversagen wird über die Filtrat Bilanz (Ultradiafiltrat-Ersatzflüssigkeit) die Flüssigkeitsbilanz gesteuert. Es gilt hier der Grundsatz „peripher warme Patient:innen mit normaler CRF können keine klinisch relevante Hypovolämie aufweisen!“ Die kapilläre Füllungszeit und die Haut generell (Venenfüllung, Temperaturgradient) sind eine der wichtigsten Parameter zur klinischen Beurteilung des Volumenstatus. Hautgefäße besitzen reichlich ?1-Adrenorezeptoren und Vasopressin-1 Rezeptoren und eine Vasokonstriktion in der Haut im Rahmen der Aktivierung des sympathischen Nervensystems im Schock spiegelt idente Veränderungen in der Durchblutung innerer Organe und hier vor allem des Splanchnikusgebietes und der Nieren wieder.

Literatur: Hernandez G, et al. Effect of a resuscitation strategy targeting peripheral perfusion status vs serum lactate levels on 28-day Mortality among patients with septic shock. The ANDROMEDA-SHOCK randomized clinical trial. JAMA 2019; 321: 654-664

THERAPIE DES AKUTEN AUF CHRONISCHEN LEBERVERSAGENS (ACLF)

Diese neue Guideline der Society of Critical Care Medicine bezieht sich vor allem auf die Therapie von Patient: innen mit ACLF und gastrointestinaler Blutung oder spontaner bakterieller Peritonitis.

Die wesentlichen Schlüsselpunkte der Guideline sind:

  • Kritisch kranke Patient: innen mit ACLF und oberer gastrointestinaler Blutung sollen prophylaktisch Antibiotika erhalten. Empfohlen werden hier vor allem 3. Generations Cephalosporine
  • Kritisch kranke Patient:innen mit ACLF und portaler Hypertension sollten Octreotide oder Somatostatin-Analoga gemeinsam mit Protonenpumpen Inhibitoren erhalten
  • Kritisch kranke Patient:innen mit ACLF und spontaner Peritonitis sollten nach Kulturgewinnung (Blutkulturen und Aszitespunktat) sofort breit antibiotisch behandelt werden (z.B. Breitspektrum Penicilline oder Carbapeneme)
  • Kritisch kranke Patient:innen mit ACLF mit ACLF sollten Albumin, unabhängig vom Vorhandensein einer Hypovolämie erhalten. Die Normalisierung von Plasmaalbumin verringert offensichtlich das Risiko für ein akutes Nierenversagen und das Sterberisiko im Krankenhaus

FAZIT: Das Komitee für diese Guideline hat sich insgesamt mit 31 Fragen zum Thema beschäftigt. Letztlich sind aber nur die obigen Punkte mit einer ausreichenden Evidenz zur Umsetzung bewertet worden.

Literatur: Nanchal R et al. Executive Summery: Guidelines fort he management of adult acute and acute-on-chronic liver failure in the ICU. Crit Care Med 2023; 51:653

POSITIVE FLÜSSIGKEITSBILANZEN UND HYPOTENSION ALS MITURSACHEN DES AKUTEN DELIRS

In dieser prospektiven Observationsstudie wurden 252 Patient:innen mit Zustand nach Schock unterschiedlicher Ursachen (Septisch 45%; Kardiogen 40%; Hämorrhagisch 15%) nach erfolgreicher Initialtherapie observiert. Hypotensive Episoden (MAP < 65mmHg; RRdiast < 60mmHg); Hypoxämien (SaO2 < 90% oder PaO2 < 60mmHg) wurden genau dokumentiert ebenso wie die kumulative Flüssigkeitsbilanz am 5. Tag (Summe aller Einfuhr-Ausfuhr Berechnungen). Das Vorhandensein von Delir wurde mit der „Confusion Assessment Methode (CAM)“ für Intensivpatient:innen erfasst. Insgesamt entwickelten 185 Patient:innen (73%) während des Intensivstationsaufenthaltes ein akutes Delir. Die mediane Delirdauer lag bei 4 Tagen. Patient:innen mit akutem Delir waren signifikant älter (70+12 versus 62+15 Jahre), hatten einen niedereren GCS bei Aufnahme, hatten häufiger bereits bekannte neurologische Erkrankungen (29% versus 16%), zeigten häufiger Episoden von Hypotension insbesondere Abfälle des RRdia < 50mmHg und hatten eine signifikant höhere positive Flüssigkeitsbilanz nach 5 Tagen (12716+7342ml versus 9177+5290ml). Die Inzidenz eines Delirs war bei Patient:innen mit positiven Flüssigkeitsbilanzen > 7000ml doppelt so hoch, wie bei solchen mit geringeren Flüssigkeitsbilanzen!

Insgesamt starben 94 Patient:innen (37%). Sowohl Sedierungszeiten als auch die Zeiten mit mechanischer Beatmung, waren bei Patient:innen mit Delir signifikant länger. Die Inzidenz nosokomialer Infektionsepisoden war bei Delirpatient:innen häufiger und die ICU (45% versus 10%) und Hospitals Mortalität nach ICU Entlassung (16% versus 4%) signifikant höher. Mittels multipler Korrelationsanalyse wurde gezeigt, dass höheres Alter, Episoden mit Hypotension und eine kumulativ positive Flüssigkeitsbilanz signifikant mit der Entwicklung eines akuten Delirs verknüpft waren. 

FAZIT: Die Dosis macht das Gift! Dieser Spruch gilt für alle therapeutischen Interventionen in der Medizin und genauso für die Flüssigkeitstherapie. Dass kumulativ positive Flüssigkeitsbilanzen mit der Entwicklung von akutem Delir vergesellschaftet sein können, wurde bereits für ein chirurgisches Patientengut gezeigt. Im septischen Schock konnte die Entwicklung eines Hirnödems, das heißt Wasserakkumulation vor allem in der weisen Substanz des Gehirns, beim Menschen mittels MRI nachgewiesen werden. In der vorliegenden Studie wurde auch das S100B Protein 12-24h nach Intensivstationsaufnahme und in den darauffolgenden 2 Tagen gemessen. Dieses Protein zeigt eine gestörte Gefäßregulation und Funktion im Gehirn an und war bei Delirpatient:innen erhöht. 

Dass selbst zeitlich limitierte Episoden von Hypotension zu Störungen der Gehirnfunktion führen ist ebenfalls schon länger bekannt. Bei Hunden mit hämorrhagischem Schock (MAP < 40mmHg) konnten signifikante Störungen des Gehirnmetabolismus nachgewiesen werden. Auch intraoperativ konnte ein Zusammenhang zwischen hypotensiven Episoden und der postoperativen Entwicklung von Delir, beim Menschen, gezeigt werden.    

Literatur: Nguyen DN, et al. Hypotension and a positive fluid balance are associated with delirium in patients with shock. PLOS one 2018; 13: e0200495

DIE BEDEUTUNG VON ERSTMALIGEM TRANSIENTEM VORHOFFLIMMERN IM KRANKENHAUS

Im Rahmen von nicht herzchirurgischen Eingriffen oder akuten konservativ-medizinischen Erkrankungen beobachtet man gelegentlich das Auftreten von tachkardem Vorhofflimmern (VHF) bei Patient:innen ohne vorhergehende kardiale Anamnese. Es wird vermutet, dass Stress (hohe Sympathikusaktivierung) und systemische Inflammation an der Entstehung mitbeteiligt sind. Unklar ist bis heute, ob das einmalige, transiente VHF- Ereignis ein erhöhtes Risiko für den Verlust eines Sinusrhythmus in Zukunft darstellt.

Eine kanadische Forschungsgruppe hat den weiteren Verlauf von 139 Patient:innen mit transientem akuten VHF (mittleres Alter 71 Jahre) über 12 Monate verfolgt. Kontrollpatienten waren 139 Alters- und Geschlechts-gematchte Patient:innen ohne VHF Episode aus der gleichen Krankenanstalt. Das Risiko innerhalb eines Jahres ein permanentes VHF zu entwickeln war nach einer transienten Episode im Krankenhaus um das 6,6-fache erhöht (33% versus 5%). Das erhöhte Risiko war für chirurgische und konservativ-medizinische Patient:innen im gleichen Ausmaß erhöht und unabhängig davon, ob im Krankenhaus eine Kardioversionsbehandlung durchgeführt wurde. Als ein Risikofaktor für die Entwicklung eines permanenten VHF wurde ein echokardiographisch vergrößerter linker Vorhof identifiziert.

FAZIT: Die Studie ist natürlich mit nur 139 eingeschlossenen Patient:innen klein! Dennoch ist es sehr auffällig, dass immerhin ein Patient/eine Patientin von drei innerhalb eines Jahres ein permanentes VHF entwickelt. Unklar ist natürlich auch, ob solche Patient:innen von früzeitiger Antikoagulation profitieren würden. Persönlich denke ich, dass bei voll mobilen Patient:innen zumindest eine weitere engmaschige kardiologische Überwachung angebracht wäre. Bei gebrechlichen oder stark kognitiv eingeschränkten Patient:innen sollte wahrscheinlich auf eine therapeutische Antikoagulation verzichtet werden. Erste Untersuchungen haben einen Überlebensnachteil der therapeutischen Antikoagulation durch häufigere lebensbedrohliche Blutungsereignisse zeigen können.    

Literatur: McIntyre WF, et al. Atrial fibrillation recurrence in patients with transient new-onset atrial fibrillation detected during hospitalisation for noncardiac surgery or medical illness: a matched cohort study. Ann Intern Med 2023; doi: 10.7326/M23-1411

CEFTOBIPROLE ALS ALTERNATIVE ZU DAPTOMYCIN BEI MRSA BAKTERÄMIE

Ceftobiprole (Zeftera®) ist ein Cephalosporin der 5. Generation. Sein antibakterieller Wirkmechanismus beruht auf einer Hemmung der Zellwandsynthese. Dazu bindet das Antibiotikum an ein Penicillin-bindendes Protein (PBP) der bakteriellen Zellwand. Dieser Komplex hemmt seinerseits eine bakterielle Transpeptidase, welche für die Zellwandsynthese essentiell ist. Ceftobipriole besitzt eine hohe Affinität zum PBP 2a multiresistenter Staphylokokkus aureus Bakterien sowie zum PBP 2b resistenter Streptokokkus pneumoniae. Ursprünglich wurde das Antibiotikum zur Behandlung schwerer nosokomialer Pneumonie entwickelt. 

Daptomycin (Cubicin®) ist ein zyklisches Lipopepid mit starker bakterizider Wirkung, das für Weichteilinfektionen und bakterielle Endokarditis mit grampositiven Kokken entwickelt wurde. Daptomycin wird Ca++ abhängig in die Zellmembran gram-positiver Bakterien eingebaut und führt zur Ausbildung von Membranporen mit Efflux von K+ Ionen aus der Bakterienzelle. Letzteres führt zu schweren Störungen der DNA/RNA-Synthese und zum Zelluntergang. Zur Behandlung von Pneumonien ist Daptomycin ungeeignet, da es von Alveolarsurfactant inaktiviert wird.

Nachdem in manchen Ländern die Verfügbarkeit von Daptomycin aber auch von Vancomycin zur Behandlung von invasiven Infektionen mit MRSA starken Schwankungen unterliegt, wurde kürzlich eine Studie veröffentlicht, in der die Wirksamkeit von Daptomycin und Ceftobiprole bei MRSA Bakteriämie miteinander verglichen wurde.   

399 Patient:innen (Alter Median: 58 Jahre; BMI Median: 28) mit nachgewiesener MRSA Bakteriämie wurden in 2 Gruppen randomisiert: 

  • Ceftobiprole Gruppe: Initial 500mg iv. alle 6h; nach dem 8. Behandlungstag 500mg 3xtgl.
  • Daptomycin Gruppe: 6-10mg/kg alle 24h

Die identifizierten Hauptrisikofaktoren für MRSA Bakteriämien waren ein kürzlich stattgehabter chirurgischer Eingriff (40% des Kollektivs) und das Vorhandensein von Diabetes mellitus (35%). 61% der Patient:innen litten an Weichteilinfektionen. Die mediane Behandlungsdauer war 21 Tage. Die mediane Zeit bis zu negativen mikrobiologischen Blutkulturen lag bei 4 Tagen. Ein Therapieerfolg  wurde bei 70% der Patient:innen in der Ceftobiprole Gruppe und bei 69% in der Daptomycin Gruppe erzielt (= kein signifikanter Unterschied). Die Nebenwirkungen der Behandlung waren in beiden Gruppen ähnlich wobei das Symptom Übelkeit in der Ceftobiprole Gruppe häufiger auftrat.

FAZIT: In einer Studie in der Patient:innen mit hauptsächlich Weichteilinfektionen als Ursache einer MRSA Bakteriämie inkludiert wurden, fand sich zwischen Daptomycin und Ceftobiprole kein Unterschied („non-inferiority trial“) im Behandlungserfolg. Ein Wermutstropfen der Studie ist sicher, dass Patient:innen mit Endokarditis zu wenig im Kollektiv vertreten sind. Aber zunächst kann festgestellt werden, dass bei MRSA–Bakteriämien aufgrund von Weichteilinfektionen und bei fehlenden Alternativen ein Behandlung mit  Ceftobiprole ebenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Erfolg führt.

Literatur: Holland TL, et al. Ceftopriole for treatment of complicated Staphylokokkus aureus bacteremia. NEJM 2023; doi: 10.1056/NEJMoa2300220

WAS BRINGT DER „ RESUSCITATIVE ENDOVASCULAR BALLON OCCLUSION“ (REBOA) KATHETER BEI TRAUMAPATIENT:INNEN MIT MASSIVBLUTUNG

Ungestillte oder unstillbare Blutungen sind eine der häufigsten Todesursachen nach Trauma. Ein großes Problem stellen hierbei penetrierende Verletzungen am Körperstamm, z.B. nach Messerstich oder Schussverletzung oder massive Beckenzerreißungen  dar, da die Blutung von der Erstversorgern in der Regel nicht gestillt oder kontrolliert werden kann. Mit zunehmender Resuscicationsdauer entwickelt sich, zusätzlich zur Hypovolämie, eine Koagulopathie, Hypothermie und progrediente Azidose, die häufig als tödliche Trias zusammengefasst werden.  

Der REBOA Katheter wurde entwickelt um den Blutverlust bei derartigen Verletzungen zu kontrollieren und in Tierversuchen ist dieses Verfahren sehr effektiv. Die bisherigen Studien beim Menschen, retrospektiv oder als Fallstudien, zeigen hingegen ein sehr heterogenes Bild. Die Anwendung des REBOA Katheter wird bei stumpfen oder penetrierenden Verletzungen mit Blutung und systolischen RR-Werten < 90 mmHg empfohlen.  In einem Positionspapier der Amerikanischen Gesellschaft für Notfallmedizin wird der REBOA Katheter für lebensbedrohliche Blutungen unterhalb des Zwerchfelles empfohlen.

Das Ziel der vorliegenden, prospektiv randomisierten Studie („UK Resusitative Endovascular Ballon Occlusion of the Aorta“ -UK-REBOA Trial) war es eine Therapie mit „REBOA und Standardtherapie“ (REBOA Gruppe; n=46) mit einer „Standardtherapie“ (Standard Gruppe; n=44) bei Traumapatient:innen mit Massivblutung und Hypotension zu vergleichen. Der primäre Outcomeparameter war die 90 Tage Mortalität.

Die Studie wurde an 16 Trauma Zentren in Großbritannien durchgeführt. Alle Ärzt:innen waren in der Anwendung des REBOA Katheters geschult und die Anlage des Katheters wird regelmäßig am Simulationsmodel geübt. Die Lage des Ballons, über der Aortenbifurkation (Zone III) oder in der thorakalen Aorta (Zone I) im Traumazentrum durch behandelnde Mediziner:innen entschieden. 

69% der eingeschlossenen Patient:innen waren männlich, medianes Alter 41 Jahre (IQR: 31-59), Injury Severity Score 41 (IQR: 29-50). Von den 46 Patient:innen in der REBOA-Gruppe wurde der Ballon bei 19 (37%) aufgeblasen; 17 Patient:innen reagierten bereits positiv auf die gleichzeitig durchgeführte Standardtherapie, sodass der Ballon nicht mehr aufgeblasen wurde oder nicht über die femorale Schleuse eingeführt wurde. Bei 53% der Patient:innen wurde der Ballon in die Zone I gelegt, bei 47% in die Zone III. Die mediane Zeit zwischen Alarmierung der Notfallmediziner:innen und Balloninflation war bei 32 Minuten (IQR: 20-47). Bei 8 Patient:innen wurde die Behandlung als partielle REBOA Therapie durchgeführt. Das bedeutet, dass der Ballonkatheter eine geringe Perfusion unterhalb des Inflationsortes zulässt.

Die Wahrscheinlichkeit zu Sterben war zu allen Messzeitpunkten in der REBOA Gruppe erhöht! Interessanterweise war der Verblutungstod in der REBOA Gruppe signifikant häufiger, verglichen mit der Standard Gruppe. Auch die Zeitspanne zwischen Therapiebeginn und Blutungsstopp war in der REBOA Gruppe median um 19 Minuten länger. Die Notwendigkeit zu Transfusionen war in beiden Gruppen gleich. Die Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation und im Krankenhaus war in der REBOA Gruppe signifikant verlängert.

FAZIT: Das ist die erste prospektiv randomisierte Studie zum Nutzen des REBOA Katheters bei Traumapatient:innen mit lebensbedrohlichen Blutungen. Leider sind die Ergebnisse desillusionierend. Die Anlage eines REBOA Katheters scheint das Outcome von Traumapatient:innen negativ zu beeinflussen. Die Ergebnisse bestätigen retrospektiv erhobene Daten einer großen US Traumadatenbank (Joseph B et al. JAMA Surg 2019; 154: 500-508). Die meisten Todesfälle in der REBOA Gruppe wurden innerhalb der ersten 24 Stunden beobachtet. Möglicherweise spielt dabei die Zeitverzögerung der definitiven chirurgischen Blutungskontrolle durch die Anlage des REBOA Katheters im Schockraum eine Rolle. Nach wie vor bin ich der Ansicht, dass ein beträchtlicher Anteil  blutender Traumapatient:innen durch eine sofortige chirurgische Behandlung gerettet werden könnte. Dazu müssten Schockraum- und Abklärungszeiten, z.B. durch Verzicht auf weitere CT- oder Röntgen Untersuchungen verkürzt werden. Ebenso müsste die abdominelle Blutungskontrolle durch Packing (Austamponieren des Abdomens mit trockenen Tüchern) von allen Allgemeinchirurg:innen beherrscht werden. Eine definitive chirurgische Versorgung kann dann, nach Stabilisierung der Patient:innen auf der Intensivstation zeitverzögert durch Chirurg:innen mit entsprechender praktischer Erfahrung durchgeführt werden. 

Ich persönlich sehe immer noch einen gewissen Nutzen im REBOA Katheter. Bei traumatischen Beckenzerreißungen mit arteriellen Blutungen erfolgt die definitive Blutstillung meist interventionell- radiologisch in Zentrumskrankenhäusern mit interventionellem 24 Stunden Angebot. Der REBOA Katheter kann, wenn er im Schockraum peripherer Krankenhäuser gelegt wird, die Blutungen stoppen und damit Leben retten. Hier genügt es, den Katheter über die A. femoralis bis in Zone III, knapp unterhalb des 2. Lendenwirbels vorzuschieben und aufzublocken. Eine sichere Anwendung setzt allerding auch technische Expertise voraus, die nur durch regelmäßige Simulationsübungen erlangt werden kann.

Literatur: Jansen JO. Et al. Emergency Department Resuscitative Endovascular Balloon Occlusion of the Aorta in trauma patients with exsanguinating hemorrhage. The UK-REBOA randomized clinical trial. JAMA 2023; doi: 10.1001/jama.2023.20850

2023 INTERNATIONAL GUIDELINES FÜR DIE TRANFUSION VON ERYTHROZYTENKONZENTRATEN

In dieser Guideline wurden für erwachsene Patient:innen 45 randomisierte Studien mit 20599 Teilnehmer:innen ausgewertet. In den Studien wurde ein restriktives Transfusionsverhalten (tolerierte Hb Untergrenze 7-8g%) mit einem liberalen Regimen (Hb Transfusionstrigger 9-10g%) verglichen. Für pädriatrische Patienten konnten 7 randomisierte Studien mit insgesamt 2730 Patient:innen ausgewertet werden. Für fast alle untersuchten Patient:innen Gruppen gilt, dass ein restriktiver Transfusionstrigger (7-8g%) keinerlei Nachteile gegenüber einem liberalen Transfusionsregimen hat. Damit stimmen die Aussagen der upgedateten Guidelines mit früheren internationalen und nationalen Empfehlung zum Transfusionstrigger überein. 

Die Empfehlungen  im Einzelnen lauten:

  1. Für hospitalisierte, herzkreislaufstabile Patient:innen empfehlen die Expert:innen einen Transfusionstrigger unter 7g% (starke Empfehlung mit moderater Evidenz)
  • Bei Patient:innen mit chirurgischen Eingriffen am Herz, wird ein Transfusionstrigger von 7,5g% empfohlen. Bei Patient:innen mit vorbestehenden Erkrankungen des Herzkreislaufsystems und bei Patient:innen mit größeren orthopädischen Eingriffen ist der Transfusionstrigger auf 8g% Hb zu erhöhen  (starke Empfehlung mit moderater Evidenz)
  • Bei hospitalisierten Patient:innen mit hämatologischen oder onkologischen Erkrankungen empfehlen die Expert:innen einen restriktiven Transfusionstrigger unter 7g% (unsichere Empfehlung aufgrund unzureichender Evidenzlage)
  • Bei kritisch oder schwer erkrankten Kindern ohne Hämoglobinopathie, zyanotischen Herzvitium oder Hypoxämie empfehlen die Expert:innen einen restriktiven Transfusionstrigger unter 7g%  (starke Empfehlung mit moderater Evidenz)
  • Für hämodynamisch stabile Kinder mit angeborenen Herzvitien gelten je nach Schwere beziehungsweise operativer erfolgter Korrektur des Vitiums unterschiedliche Transfusionstrigger. Vollständige Korrektur: unter 7g%; Single Ventrikel Palliation: 9g%; unkorrigiertes Vitium je nach Schwere der Hypoxämie: 7-9g% (unsichere Empfehlung aufgrund unzureichender Evidenzlage)

Literatur: Carson JL, et al. Red blood cell transfusion 2023 AABB International Guidelines. JAMA 2023; doi: 10.1001/jama.2023.12914

STRIKTE BLUTGLUKOSEKONTROLLE HAT KEINEN EINFLUSS AUF DAS OUTCOME IN DER INTENSIVSTATION 

Bei kritisch kranken Intensivpatient:innen ist Hyperglykämie mit einem schlechterem Outcome assoziiert. In einer Studie mit 1500 Patient:innen (Van den Berghe G, et al. Crit Care Med 2003; 31: 359-366) wurde ein signifikanter Überlebensvorteil durch strikte Blutglukosekontrolle mittels  Insulinperfusor (80 mg%-110 mg%) versus einer mehr liberalen Steuerung des Blutzuckers (180 mg% bis 200 mg%) gezeigt. Nachfolgende Studien konnten diesen Vorteil nicht mehr nachweisen – sehr wohl aber kam es in den strikten Blutglukosegruppen häufiger zu gefährlichen Hypoglykämien.

In Belgien wurden mehr als 9000 Intensivpatient:innen von drei verschiedenen Krankenhäusern in 2 Gruppen randomisiert:

  • Strikte Blutglukoseführung (BZ-strikt) mit Zielwerten von 80 mg% bis 110 mg%
  • Liberale Blutglukoseführung (BZ-liberal) mit Zielwerten von 180 mg% bis 215 mg%

Zirka die Hälfte der Patient:innen wurden nach herzchirurgischen Eingriffen, ein Viertel der Patient:innen wegen Sepsis an Intensivstationen aufgenommen. Eine enterale Ernährung wurde nach Möglichkeit bevorzugt. Parenterale Ernährungsregime wurden frühestens 1 Woche nach Intensivstationsaufnahme begonnen. 50% der Patient:innen in der BZ-liberal und alle Patient:innen in der BZ-strikt benötigten Insulinperfusoren um den Blutzucker innerhalb der Zielwerte zu steuern. Die Intensivaufenthaltsdauer, die Mortalität, die Inzidenz von hypoglykämischen Episoden (<1%) war zwischen den Gruppen ident. Auch die Notwendigkeit zur Beatmung, der Katecholaminbedarf und die Inzidenz nosokomialer Infektionen war nicht unterschiedlich. Patient:innen in der BZ-strikt entwickelten weniger häufig ein akutes Nierenversagen, benötigten weniger häufig eine Nierenersatztherapie und zeigten weniger häufig laborchemische Zeichen einer Cholestase.

FAZIT: Ich denke diese Studie unterstreicht, was wir in der klinischen Praxis bereits seit vielen Jahren durchführen. An den meisten Intensivstationen werden BZ-Konzentrationen bis 180mg% (Zielwert zwischen 80 mg% bis 180 mg%) toleriert. Dort wo gehäuft hohe Insulindosierungen zur Vermeidung von BZ-Konzentrationen > 180mg% gegeben werden müssen, sollte man eher die verwendeten Ernährungsregime adaptieren.