Prim. Millonig – ein Pionier der medizinischen Entwicklung in Kärnten ist von uns gegangen

Einen Nachruf auf Prim. Dr. Hermann Millonig, geb. am 16.Jänner 1925, zu schreiben, heißt sich wieder in die Geschichte und Entwicklung der Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, des Blutspendewesens und der Blutkonservenversorgung der Kärntner Bevölkerung zu vertiefen. Es heißt wiederum, staunend zu begreifen was Pioniertätigkeit bedeutet – es betrifft die Führungsfragen und Führungsqualitäten, die in der damaligen Zeit ganz anders sein mussten wie heute, wenn man teilweise mit einem Expertenteam arbeiten kann und es betrifft natürlich auch die persönliche Entwicklung in der Zusammenarbeit mit den nächsten Generationen. Es betrifft die Erwerbung der fachlichen Achtung und des Respekts der anderen Fachabteilungen. Es betrifft Macht- und Hierarchiefragen in der Berufsgruppenpolitik (und auch in der Politik) mit der heute kaum mehr vorstellbaren Frage im Gesundheitswesen: Wie gründe und begründe ich eine neue, selbstständige Abteilung, die eigene Ressourcen braucht und in weiterer Folge möglicherweise anderen etwas wegnimmt?
Und es gab eine verblüffend einfache Antwort darauf, der sich Dr. Millonig immer verpflichtet fühlte:

„Diese Abteilung muss für Patienten und die meisten Partner unverzichtbar sein und sie muss so organisiert sein, dass sie immer hilfsbereit ist und auch helfend einspringt.“ (Millonig‘sche Schule)

Am 4.11.1949 promovierte Prim. Millonig in Graz. Bereits während des Studiums wurde er von Dr. Dimai mit der Anästhesie in Berührung gebracht und bei einem Aufenthalt bei Prof. Denk in Wien 1950 erlernte er neue Narkosetechniken. Ganz wesentlich für Millonig war auch 1950 der Beginn mit der Abnahme von Blutkonserven. Hier gab es nach dem Krieg enormen Aufholbedarf. Ein großer
Schritt in der weiteren Entwicklung war das einjährige Stipendium der WHO in Kopenhagen (1951-1952), wo Dr. Millonig das Wissen um moderne Narkosemethoden, Blutspende und Blutkonservenaufbereitung vertiefte.

1955 bekam er die Facharztzuerkennung und 1961 wurde die Abteilung für Anästhesiologie nach öffentlicher Ausschreibung und Beurteilung durch den Sanitätsrat geschaffen und Prim. Dr. Millonig übernahm die Funktion des Vorstandes. Es war die dritte Anästhesieabteilung außerhalb der Universitätsordinariate und war bereits 17 Jahre vor Wien bettenführend.

1969 und 1973 war er Präsident der ÖGARI
1965 waren alle Fragen des Blutspendewesens mit Normen systematisch für Kärnten umgesetzt und dokumentiert (PC gab es noch keinen)
1971 war er Gründungsmitglied und Sekretär der medizinischen Gesellschaft für Kärnten und Osttirol
1972 übernahm Millonig die Leitung der Plasmaphoresestation
1974 lernte er die offene Herzchirurgie im Massachusetts Hospital in Boston kennen und begann mit der Herzanästhesie im LKH Klagenfurt
1980 Sachverständiger und in diesem Jahr das erste Seminar für Notfallmedizin in Kärnten für Ärzte, Krankenpflegefachdienst und Rettungsdienst
1984 eröffnete er eine Intensivstation mit 13 Betten und Postnarkose mit 12 Betten
1984 -1989 war Prim. Dr. Millonig Mitglied des Landessanitätsrates
1986 führte er nach Besuchen bei Prof. Ahnefeld in Ulm das Notarztsystem ein. Dr. Millonig war Vorreiter in der präklinischen Notfallmedizin in Kärnten.

Es folgte eine Zeit mit unglaublichen technischen Entwicklungen die dem Fachgebiet in seinem ganzen Spektrum zu Gute kam. Es waren die „Golden Days“ des Fachgebietes. Aber die „Millonig‘sche Schule“ war mehr und sie hatte einen Roten Faden: die Sicherheit des Patienten und die Dokumentation. Und es gab noch etwas was heute manchmal schon „verzweifelt“ in Führungsseminaren gelehrt wird – nämlich Teamwork im besten Sinne von respektvoller Zusammenarbeit zwischen Pflegepersonal und Ärzten und die Anästhesie im LKH war immer ein Fachgebiet wo auch im ärztlichen Bereich Frauen und Männer problemlos zusammengearbeitet haben gleichgültig wer die Führungsrolle hatte. Prim. Dr. Millonig legte viel Wert auf Disziplin bei der Arbeit und hatte eine gute Kontrolle über die Abteilung und war Entwicklungen gegenüber sehr aufgeschlossen. Er trug viel zum Selbstbewusstsein des Facharztes für Anästhesiologie und Intensivmedizin bei – eine Entwicklung die für die Weiterentwicklung junger Ärztinnen und Ärzte der nachfolgenden Generationen und damit für das Fachgebiet von enormer Bedeutung war.

1950 begann er mit einer Kollegin und 4 Diplomschwestern, dann kam noch Kollege Dr. Ohnmacht (später HNO – Facharzt) und am 31.12.1990 übergab er die Abteilung an Prim. Dr. Schalk mit folgender Struktur: 33 Ärzte und 152 nichtärztliche Mitarbeiter, rund 22.000 Narkosen, 17 Intensivbetten und 16
Postnarkosebetten. Es waren unfassbare Jahrzehnte in einem unfassbaren Jahrhundert.

Prim. Dr. Millonig war bis zum Schluss interessiert an der Entwicklung der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin und hatte über seinen persönlichen Freund Prim. Prof. Dr. Rudolf Likar – für den er auch Vorbild und Mentor war – Kontakt zu „seiner“ Abteilung.

Wir verlieren mit Prim. Dr. Millonig den Gründer der Anästhesie und Intensivmedizin im Klinikum Klagenfurt der diese Abteilung ausbaute, damit auch entsprechende Weiterentwicklungen in vielen anderen Fachgebieten ermöglichte, sowie auch die Notfallmedizin und die Blutbank in Kärnten gründete.