W. HASIBEDER
CEFTRIAXONE FÜR HOSPITALISIERTE PATIENT:INNEN MIT AUSSERHALB DES KRANKENHAUSES ERWORBENER PNEUMONIE (CAP)
In einer großen japanischen Datenanalyses wurden insgesamt 471.694 hospitalisierte Patient:innen mit CAP identifiziert, die als Therapie entweder 2 oder 1g Ceftriaxone pro Tag iv. verabreicht bekamen. Zur Vergleichbarkeit wurden die Teilnehmer:innen retrospektiv pseudorandomisiert. Der primäre Outcome Parameter war die 30 Tage Mortalität. Als sekundäre Parameter wurden Komplikationen während des Krankenhausaufenthaltes festgelegt. Die Patient:innen waren zirka 79 Jahre alt, 56% waren Männer und das mittlere Körpergewicht betrug 50kg. Insgesamt war die Mortalität zwischen der 1g und 2g Gruppe nicht unterschiedlich. Clostridium difficile Infektionskomplikationen waren in der 2g Gruppe geringfügig (1,9% vs 1,8%) erhöht.
Betrachtet man die Patient:innen mit schwerer CAP (Beatmung notwendig) war die Gabe von 2g/d mit einer signifikanten Reduktion der Mortalität (17,2% vs. 20,4%) assoziiert.
FAZIT für die Praxis: Die Ergebnisse der Studie sind auch für nicht schwerkranke Patient:innen mit Vorsicht zu interpretieren! Das japanische Patientenkollektiv der Studie ist mit einem mittleren Körpergewicht von nur 50 kg kaum mit dem typischen europäischen Erwachsenen oder gar mit durchschnittlichen Amerikaner:innen zu vergleichen. Was die Subgruppenanalyse aber klar zeigt ist, dass eine schwere CAP mit höheren Antibiotikadosierungen zur Erzielung eines positiven Outcomes zu behandeln ist.
Literatur
Taniguchi J, et al. Outcomes of ceftriaxone 2g versus 1g daily in hospitalized patients with pneumonia: a nationwide retrospective cohort study. J Antimicrob Chemother 2025:1-9
SPIELT DIE ZEIT BIS ZUR SPEZIFISCHEN THERAPIE EINER BAKTERIÄMIE MIT VANCOMYCIN RESISTENTEN ENTEROKOKKEN (VRE) EINE ROLLE?
Bisher waren die Vorteile einer empirischen Therapie gegen VRE, auch bei Patient:innen mit nachgewiesener VRE Infektion, nicht klar. Derzeitige Richtlinien sprechen sich daher auch nicht für eine empirische Abdeckung von VRE bei klinischem Verdachtsfällen aus. Typische Verdachtsfälle wären z.B. Patient:innen mit tertiärer Peritonitis, also einem nicht sanierten Abdomen, die oft wochenlang antibiotisch vorbehandelt sind. Daher war die Meinung zahlreicher Kliniker, dass Patient:innen mit aber nicht durch VRE Infektionen sterben.
In einer retrospektiven Studie aus Taiwan wurde die 28-Tage Mortalität bei Patient:innen (n=134) mit einer VRE Bakteriämie berichtet. 46 Patient:innen erhielten eine empirische Daptomycin Therapie gegen Gram-positive Bakterien inklusive VRE; 88 Patient:innen wurden empirisch mit Glykopeptidantibiotika (Vancomycin oder Teicoplanin) behandelt. Mit dem mikrobiologischen Nachweis einer VRE Infektion wurde die Antibiose von Glykopeptiden auf Daptomycin gewechselt. Der Wechsel der Antibiotikatherapie erfolgte innerhalb von 2 Tagen nach Erregernachweis (Medianwert).
Patient:innen, die von vorneherein eine empirische anti-VRE Therapie erhalten haben hatten eine signifikant niedere 28-Tage Mortalität (37%) verglichen mit der Glykopeptidantibiotika Gruppe, bei der ein verzögerter Wechsel auf eine anti-VRE Therapie erfolgt ist (Mortalität 62%). Das entspricht einer absoluten Risikoreduktion von 25% beziehungsweise einer „Number Needed to Treat (NNT)“ von 4!! Letzteres bedeutet, dass von 4 Personen mit einer VRE Bakteriämie, ein zusätzliches Leben durch die frühzeitige empirische Gabe eines Antibiotikums mit VRE Wirksamkeit gerettet werden kann!
FAZIT für die Praxis: Es handelt sich um eine kleine Studie und in früheren Untersuchungen war die Mortalität von invasiven VRE Infektionen stark durch die Komorbidität der betroffenen Patient:innen mitbestimmt. Dennoch stellt dieses Ergebnis mit einer NNT von 4 einen starken Hinweis dafür dar, dass wir bei kritisch Kranken, mit besonderem Risiko für eine VRE Infektion, frühzeitig nach Abnahme entsprechender mikrobiologischer Kulturen an eine empirische anti-VRE Therapie denken sollten!
Literatur:
Ou T-H, et al. Impact of empiric anti-VRE Therapy on survival in vancomycin-resistant enterococcal bloodstream infection. J Antimicrob Chemother 2025; doi: 10.1093/jac/dkaf225
ZUM HERZKREISLAUFRISIKO NACH COVID-19 UND EFFEKTE DER IMPFUNG
Das bestimmte virale Infektionserkrankungen das Risiko akuter Herzkreislauferkrankungen erhöhen wissen wir bereits seit Jahren. Eine Influenzainfektion geht zum Beispiel mit einer signifikanten Erhöhung kardiovaskulärer Ereignisse, wie z.B. Herzinfarkt, Arrhythmien und akute Herzinsuffizienz einher und eine Impfung vermindert das Risiko derartiger Komplikationen.
Ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko wurde auch nach COVID-19 Erkrankungen beschrieben aber längerfristige Untersuchungen haben bisher gefehlt. Eine Datenbankstudie mit mehr als 9 Millionen südkoreanischen und japanischen Patient:innen über einen Zeitraum von 2 Jahren (2020-2022) hat jetzt folgende Ergebnisse gezeigt:
- Menschen mit COVID-19 Erkrankung haben gegenüber einer Vergleichsbevölkerung ohne Infektion eine signifikant erhöhtes Risiko für akute kardiovaskuläre Erkrankungen (adjustierte HR: 1,62). Das absolute Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen lag nach einer COVID-19 Infektion bei 2,12%; in der Vergleichspopulation bei 1,3%!
- Die Schwere der COVID-19 Infektion hatte einen signifikanten Effekt auf die Wahrscheinlichkeit des Auftretens kardiovaskulärer Komplikationen. Adjustiertes Risiko für milde Infektionen: 1,6%; für moderate bis schwere Infektionen 4,4%. Patient:innen, die Intensivtherapie benötigten (mechanische Beatmung, Nierenersatztherapie oder ECCMO) zeigten ein 10,6-fach erhöhtes Risiko.
- Das relative Risiko akuter kardiovaskulärer Ereignisse war am höchsten 1-6 Monate nach der Infektion und persistierte in dieser Untersuchung bis zu 18 Monaten.
- Vollständiger Impfschutz mit und ohne Booster reduzierte das Risiko akuter kardiovaskulärer Erkrankungen um 30% verglichen mit einer Bevölkerung ohne Impfschutz oder mit unvollständigen Impfschutz.
FAZIT für die Praxis: Die vorgestellte sehr große Datenbankanalyse zeigt, dass auch das SARS-CoV-2 längerfristig das Risiko für akuten Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz, Arrhythmien und akuten Schlaganfall erhöht und das eine Immunisierung durch Impfung das Risiko dieser schwerwiegenden Ereignisse signifikant reduziert! In einer früheren Studie konnte gezeigt werden, dass nach einer COVID-19 Infektion mit leichter Symptomatik, manche Patient:innen erhöhte Plasma Biomarker für Alzheimer entwickeln (erhöhte ß-Amyloid und Tau Konzentrationen). In einer vor kurzem erschienenen Studie wurde über ein erhöhtes Rezidiv Risiko von Mamma Karzinomen nach COVID-19 Infektionen berichtet. Kurzum das SARS-CoV2 kann massive Auswirkungen auf zahlreiche Aspekte unserer Gesundheit haben
Literatur:
Lee S et al. Burden of cardiovascular Outcomes after SARS-CoV-2 Infection in South Korea and Japan: A binational population-based cohort study. Circulation 2025; doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.125.073086
VERBESSERT DIE PERIOPERATIVE BLUTDRUCKKONTROLLE DAS POSTOPERATIVE KOGNITIVE OUTCOME?
In einer kürzlich publizierten Richtlinie wurde das Absetzten von Angiotensin-Converting Enzyme Hemmern (ACE) und Angiotensin-Rezeptor Blockern (ARB) 24 Stunden vor geplanten operativen Eingriffen empfohlen um intraoperative Hypotension möglichst zu vermeiden. Zwei große Studien belegen zwar, dass das rechtzeitige Absetzten von ACE und ARB zu weniger intraoperativen Hypotensionen führt, aber keinen messbaren Einfluss auf die Mortalität oder kardiovaskulären Komplikationen hat – vorausgesetzt die Hypotension wird rasch behandelt. In einer Subgruppenanalyse einer dieser Studien wurde untersucht, ob eine „Hypotension vermeidende Strategie“ durch rechtzeitiges Absetzten von ACE oder ARB einer „Hypertension vermeidenden Strategie“ durch Fortführung der Blutdrucksenkenden Therapie in Bezug auf das postoperative neurologische Outcome überlegen ist.
Die Inzidenz von postoperativen Delir innerhalb der ersten 3 Tage nach dem operativen Eingriff war in beiden Gruppen gleich groß (um 7%). Nach einem Jahr wurde anhand eines Mentaltests (Montreal Cognitive Assessment Score) kein Unterschied in der kognitiven Funktion zwischen den beiden Gruppen gefunden. In beiden Gruppen zeigten 35% der Patient:innen einen vergleichbaren Abbau kognitiver Funktionen.
FAZIT für die Praxis: Ich denke es ist weniger wichtig blutdrucksenkende Medikamente wie ACE oder ARB präoperativ abzusetzen, als vielmehr die Narkoseeinleitung und Führung bei diesen Patient:innen vorsichtig durchzuführen und auftretende intraoperative Hypotension sofort zu behandeln. Wir empfehlen bei unseren Patient:innen das Auslassen einer morgendlichen ACE oder ARB Gabe – wir setzten aber auch keinen Patienten/keine Patientin vom OP Programm ab, wenn sie versehentlich diese Medikation genommen hat. Eine ß-Blocker-Therapie, Therapie mit Statinen oder Therapie mit Nicht-Hydropyridine-Kalziumkanal Blockern wird hingegen immer fortgeführt. Ebenso Medikamente zur Behandlung einer pulmonalen Hypertension. Bei Diabetiker:innen werden die Gliflozine (SGLT2-Inhibitoren) 3-4 Tage präoperativ abgesetzt.
Literatur:
Marcucci M et al. Effects of a hypotension-avoidance versus a hypertension-avoidance strategy on neurocognitive outcomes after noncardiac surgery. Ann Intern Med 2025; doi: 10.7326/ANNALS-24-02841
INTRAVENÖSE KONTRASTMITTELGABE FÜR PATIENT:INNEN MIT AKUTER NIERENSCHÄDIGUNG ODER CHRONISCHER NIERENERKANKUNG
Jodierte Kontrastmittel (KM), wie sie bei CT-Untersuchungen und bestimmten anderen Röntgenuntersuchungen Anwendung finden, werden beschuldigt die Nieren zu schädigen oder ein bereits bestehendes Nierenversagen zu verschlechtern. Diese Apriori Unterstellung verhindert häufig ihren Einsatz bei Untersuchungen deren diagnostischer Wert ganz wesentlich durch das Kontrastmittel beeinflusst wird. Exemplarisch benennen möchte ich hier die CT Diagnostik des akuten Abdomens!
Obwohl einige randomisierte Untersuchungen für ein nephrotoxisches Potential von jodierten KM sprechen, sind diese Untersuchungen durch teils schwere systematische Mängel geprägt. Die Studien inkludierten keine gematchten Kontrollgruppen (ohne KM) und sie, berücksichtigten nicht die kurzzeitliche Fluktuationsbreite von Serum Kreatinin Bestimmungen, insbesondere bei schwer erkrankten Patient:innen. Letztere treten auch unabhängig von der Verabreichung iodierter KM auf. Mehrere große kontrollierte Untersuchungen in den letzten 10 Jahren zeigen eindeutig, dass Patient:innen die jodierte KM erhalten keine signifikante Häufung von Nierenschädigungen im Vergleich mit einer gematchten Vergleichspopulation, ohne KM Gabe, erleiden. Weiters haben Observationsstudien mit Millionen von inkludierten Patient:innen, in adjustierten Analysen ebenso keine erhöhte Nephrotoxizität im Vergleich zu Untersuchungen ohne KM gezeigt.
Patient:innen mit fortgeschrittener Nierenerkrankung sind in wenigen Studien erfasst. In einer großen Observationsstudie wurden Patient:innen nach der Schwere ihrer chronischen Nierenerkrankung stratifiziert und mit und ohne KM Gabe über 6 Monate weiterverfolgt. Zwischen den Patient:innengruppen gab es keine signifikanten Unterschiede in der Progredienz der Nierenerkrankungen oder der Notwendigkeit zur Nierenersatztherapie.
FAZIT für die Praxis: Wie sollte man als Kliniker:in die Anwendung von radiologischen KM Untersuchungen handhaben: In einem Konsensus Papier der Amerikanischen Radiologischen Gesellschaft bezeichnen Expertinnen die Wahrscheinlichkeit von Nephrotoxizität durch KM-Gabe während radiologischer Untersuchungen als vernachlässigbar! Dies gilt insbesondere für alle Patient:innen mit einer GFR >30ml/min. Aber auch bei geringerer GFR-Rate (CKD 4 oder 5) überwiegen die Vorteile, einer KM-gestützten Diagnostik, den Nachteilen einer verzögerten oder falschen Diagnose, wenn es sich um eine potentiell lebensbedrohliche Erkrankung handelt
Literatur:
McDonald JS, et al. Is intravenous administration of iodixanol associated with increased risk of acute kidney injury, dialysis or mortality? A propensity score-analysis. Radiology 2017: 285:414-424
Hinson JS, et al. Risk of acute kidney injury after intravenous contrast media administration. Ann Emerg Med 2017; 69: 577-586
Goulden R et al. Association of intravenous radiocontrast with kidney function: a regression discontinuity analysis. JAMA Intern Med 2021; 181: 767-774
Davenport MS, et al. Use of intravenous iodinated contrast media in patients with kidney disease: consensus statements from the American College of Radiology and the National Kidney Foundation. Radiology 2020; 294:660-668
HALOPERIDOL – VIEL ZU VIEL ÄNGSTE VOR QT-VERLÄNGERUNGEN UND GEFÄHRLICHEN ARRHYTHMIEN
Dopamin Antagonisten wie Haloperidol wurden erfolgreich zur Therapie des akuten Delirs und in der Behandlung akuter Psychosen eingesetzt. In den letzten Jahren ist Haloperidol wegen seiner potentiell QT-verlängernden Wirkung des Aktionspotentials und der damit einhergehenden Gefahr maligner Arrhythmien, wie z.B. von Torsade-de-Pointes Tachyarrythmien zunehmend in Verruf geraten und wird auf zahlreichen Intensivstationen nicht mehr zur Delir Behandlung verwendet. Auf den meisten Normalstationen wurde Haloperidol als Behandlungsoption des Delirs weitgehend verbannt.
In einer großen Metaanalyse von 84 randomisierten Studien mit 12.000 Patient:innen wurde der Effekt einer Therapie mit Haloperidol auf die Inzidenz von großen kardiovaskulären Komplikation (MACE: Tod; Herzkreislaufstillstand; ventrikuläre Arrhythmien; Krampfanfälle; Synkopen) mit deren Inzidenz durch Therapie mit anderen Psychopharmaka oder Placebo verglichen.
Die Hauptresultate sind:
- Haloperidol war mit keinem erhöhten Risiko für MACE assoziiert
- Intravenös verabreichtes Haloperidol im Vergleich zu anderen Applikationsformen führt zu keiner Erhöhung von Todesfällen
- Es konnte in der Metaanalyse keine Subgruppe mit einem erhöhten MACE-Risiko nach Haloperidol Gabe identifiziert werden (psychiatrisch; intensivmedizinisch; Demenzerkrankungen; neurologisch; perioperativ)
- Insgesamt traten Arrhythmien in der Studie extrem selten auf (0,2% der Fälle). Die Häufigkeit von Torsade-de-Pointes betrug 0,02%
FAZIT für die Praxis: Wir haben Haloperdol immer als ein wichtiges Medikament für die Therapie des akuten Delirs auf der Intensivstation verwendet. Die häufigsten Indikationen sind die Behandlung des hyporeaktiven oder gemischten Delirs. Haloperidol wird dabei kontinuierlich über Perfusoren mit bis zu 5 Ampullen pro 24 Stunden verabreicht und führt bei der Mehrzahl der betroffenen Patient:innen innerhalb kurzer Zeit zur klinischen Verbesserung der Delir Symptome. Selbstverständlich werden auf der Intensivstation tgl. Elektrolyte kontrolliert und Defizite großzügig ausgeglichen. In meiner langjährigen Intensivmedizinischen Tätigkeit habe ich nur 3 Fälle von Torsade-de-Pontes Tachyarrythmien im Zusammenhang mit Haloperidol Therapie in Erinnerung. Alle 3 hatten zusätzliche Risikofaktoren für die Arrhythmie Entwicklung: Hypokaliämie; Hypomagnesiämie; Therapie mit Fungostatika.
Die vorliegende Metaanalyse zeigt, dass die Angst vor lebensbedrohlichen MACE durch Haloperidol unbegründet ist. Haloperidol kann auch auf Normalstationen und intravenös, bei entsprechender Indikation, eingesetzt werden. Selbstverständlich sollen andere QT-verlängernde Faktoren wie z.B. Elektrolytstörungen bei jeder Therapie mit Neuroleptika, durch tägliche Kontrollen und entsprechenden Ausgleich, vermieden werden.
Literatur:
Garcia MC et al. Major adverse cardiac events with haloperidol: a meta-analysis. PLOS One 2025; 20: e0326804
DIE OPTIMALE THERAPIE ÄLTERER MENSCHEN MIT NSTEMI: EINE METAANALYSE
Ob ältere Menschen mit STEMI unbedingt eine koronare Intervention benötigen ist seit Jahren eine Frage intensiver Diskussionen. In einer großen Metaanalyse wurden jetzt 7 randomisierte, kontrollierte Studien mit 3000 Patient:innen, Alter > 70 Jahre (Mittelwert 83 Jahre), zusammen analysiert.
Über einen Beobachtungszeitraum von 4 Jahren wurden folgende Ergebnisse erhoben:
- Es wurde kein Unterschied in der „all-cause“ Mortalität zwischen Patient:innen mit und ohne Koronarintervention nach STEMI gefunden
- Es fand sich keine Unterschiede in der kardiovaskulären Mortalität, der Inzidenz akuter zerebrovaskulärer Ereignisse oder der Hospitalisationsdauer nach STEMI
- Es existiert ein nicht signifikanter Trend zu größeren kardiovaskulären Ereignissen bei Patient:innen die konservativ therapiert wurden
- Auch das Risiko für Reinfarkte war in der konservativen Behandlungsgruppe etwas erhöht
FAZIT für die Praxis: Zunächst zeigt die Metaanalyse klar, dass für die Mehrzahl älterer Patient:innen kein Unterschied zwischen einer invasiven oder einer rein konservativen Behandlung nach einem STEMI besteht. Trotzdem gibt es Patient:innen mit einem hohen Risikoprofil für weitere kardiovaskuläre Ereignisse, die von einer koronaren Intervention eindeutig profitieren würden. Die Kunst liegt darin diese Patient:innen durch Anamnese und entsprechende Untersuchungen aus dem Kollektiv herauszufiltern und rechtzeitig einer Interventionsbehandlung zuzuführen
DIE KORREKTUR VON HYPONATRIÄMIEN – DIE SCHWERE BESTIMMT DIE KORREKTURGESCHWINDIGKEIT
Neuere Studien belegen, dass eine rasche Korrektur von Hyponatriämie nur in sehr seltenen Fällen zur osmotischen Demyelinisierung führt. In einer kürzlich publizierten Metaanalyse zeigte sich, dass eine sehr langsame Korrektur mit verlängertem Hospitalsaufenthalt einhergeht.
In einer großen schwedischen Untersuchung wurden die Daten von 7600 hospitalisierten Patient:innen mit schwerer Hyponatriämie (Serum Na+ < 125 mmol/l) aufgearbeitet. Zirka 50% der Hyponatriämien wurden rasch (Na+ Anstieg > 8mmol/l und Tag) bzw. langsam (Na+ Anstieg < 8mmol/l und Tag) korrigiert. Die wesentlichen Resultate waren:
- Nur 7 Patient:innen (0,09%) entwickelten ein Demyelinisierungssyndrom (ODS)
- Drei dieser Patient:innen zeigten schwerste Formen der Hyponatriämie (Serum Na+ < 105 mmol/l) und wurden rasch (Na+ Anstieg > 8mmol/l und Tag) korrigiert, sodass ein möglicher Zusammenhang zwischen Korrektionsgeschwindigkeit und ODS nicht auszuschließen ist. Letzteres trat innerhalb von 3 Wochen nach Behandlungsbeginn auf
- Bei den anderen 4 Patient:innen waren die Serum Na+ Konzentrationen deutlich höher und die Diagnose eines ODS wurde mehrere Jahre nach der Korrektur der Hyponatriämie gestellt, sodass ein kausaler Zusammenhang zwischen Korrekturgeschwindigkeit der Hyponatriämie und dem Auftreten eines ODS äußerst unwahrscheinlich ist
FAZIT für die Praxis: ODS ist eine extrem seltene Erkrankung und ein möglicher Zusammenhang mit der raschen Korrektur einer Hyponatriämie (Na+ Anstieg > 8mmol/l und Tag) kann höchsten bei schweren Formen (Serum Na+ < 110 mmol/l) angenommen werden. Dem ODS liegen pathophysiologisch zerebrale Apoptosevorgänge und ein Myelinverlust zugrunde – beides kann auch durch osmotischen Stress ausgelöst werden. Die zentrale pontine ODS geht mit Bewusstseinsstörungen, Lähmungen, Sprech- und Schluckstörungen, Augenbewegungsstörungen, Koordinationsprobleme und Atemstörungen einher. Die Diagnostik der Wahl ist die zerebrale Magnetresonanztomografie (MRT), mit der auch oligosymptomatische Verläufe detektierbar sind. Eine kausale Therapie ist nicht möglich.