Der Begriff Neuroanästhesie stammt aus dem Jahr 1969. Wie kam es dazu? John D. Michenfelder sollte einen Übersichtsartikel mit dem Titel „Anesthesia for Neurosurgery“ verfassen. Da Michenfelder, wie er anlässlich des Amerikanischen Anästhesiekongresses 1988 erzählte (1), eine Abneigung gegen Artikel mit einem Titel „Anesthesia for …“ hatte, beschloss er seinen Artikel einfach „Neuroanesthesia“ zu nennen.

Es kam wie es kommen musste: gleich beim ersten Review lautete der Kommentar: „I prefer ‚Anesthesia for Neurosurgery‘“. Michenfelder ließ sich jedoch nicht beirren und antwortete: „I still prefer ‚Neuroanesthesia‘“.

Dank Unterstützung des Chefredakteurs Dr. Vandam, der Michenfelders Titel unterstützte (2), wurden wir als „Neuroanesthetists“ und nicht als „Anesthetists for neurosurgery“ bekannt.

Die Besonderheit unserer Subspezialität besteht darin, dass wir uns nicht nur mit unseren chirurgischen Partner/innen dasselbe Zielorgan teilen, sondern dass die Narkoseführung per se einen Einfluss auf die Operationsbedingungen hat. Darüber hinaus sind wir in der Neuroanästhesie und Intensivmedizin oft mit der Situation konfrontiert, eine Sedoanalgesie bzw. eine Analgosedierung anwenden zu müssen, um einen Anstieg des intrakraniellen Druckes zu verhindern oder eine mechanische Beatmung zu ermöglichen. Auf der anderen Seite müssen wir eine neurologische Beurteilung ermöglichen, da eine Durchblutungsstörung des Gehirns innerhalb von Sekunden zu ersten (noch reversiblen) neurologischen Symptomen und in der Folge zur Schädigung der Nervenzellen führt („Time is brain“).

Das ultimative Ziel jeder anästhesiologisch/intensivmedizinischen Betreuung liegt daher in der Aufrechterhaltung einer ausreichenden Sauerstoff- und Substratversorgung. Diese kann nur durch eine adäquate zerebrale Durchblutung gewährleistet werden. Neuroanästhesie und Intensivmedizin erfordert aufgrund der hohen Vulnerabilität des Gehirns die Kenntnis der (patho)physiologischen Mechanismen, der pharmakodynamischen Auswirkungen unserer Narkosemedikamente und der unterschiedlichen intraoperativen Einflussfaktoren. Aus diesem Grund ist es auch verständlich, dass die wissenschaftliche Gesellschaft des Sonderfachs Anästhesiologie und Intensivmedizin (ÖGARI) die Weiterentwicklung dieses Bereiches mit einer Arbeitsgruppe gewürdigt hat.

In der Arbeitsgruppe Neuroanästhesie kommen Kollegen/innen aus ganz Österreich zusammen, deren Interessen und Schwerpunkte im Bereich der Neuroanästhesie bzw. Anästhesie und Intensivtherapie für neurochirurgische Patienten liegen.

Rund 20 Kollegen/innen treffen sich ca. zwei mal pro Jahr, um aktuelle neuroanästhesiologisch relevante Themen auf Basis neuester Forschungsergebnisse zu besprechen. Wir wollen die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Neurologen und Neurochirurgen auf der Intensivstation stärken und das Teilgebiet “Neurointensivmedizin” gegenüber anderen Fachdisziplinen weiter stärken. Zu diesem Zweck kooperieren wir auch mit der deutschsprachigen Gesellschaft für Neuroanästhesie ADNANI.

Diese Themen haben wir bisher bearbeitet

  • Die Erfassung von Therapiestandards bei neurochirurgischen Intensivpatienten in Österreich (3)
  • Empfehlung zur Versorgung neurochirurgischer Akutpatienten in der Notfallmedizin bis zur definitiven Versorgung
  • Intrakranielle Druckmessung – Indikation und Standards
  • Ansatz einer Vasospasmustherapie mit Selen?

Die Ergebnisse wurden sind für ÖGARI-Mitglieder hier einsehbar.

Unsere neuen Projekte sind

  • Multimodales Neuromonitoring in Zusammenarbeit mit den Neurochirurgen, Angebot einer Spezialisierung nach abgeschlossener Ausbildung als Vertiefung in Teilbereichen der Neuroanästhesie anzu- Wir möchten Qualifikationen schaffen zur Verbesserung des Angebots und der Versorgung des Patienten.
  • Planung einer prospektiven, multizentrischen  Studie zur Versorgung bei SHT

 

 

  1. Michenfelder JD.: The 27th Rovenstine Lecture: Neuroanesthesia and the achievement of professional respect. Anesthesiology 1989, 70 (4): 695-701
  2. Michenfelder JD, Gronert GA, Rehder K.: Neuroanesthesia. Anesthesiology 1969;30:65-100.
  3. Herzer G, Illievich U, Voelckel WG, Trimmel H.: Current practice in neurocritical care of patients with subarachnoid haemorrhage and severe traumatic brain injury : Results of the Austrian Neurosurvey Study. Wien Klin Wochenschr. 2016 Jul 12.