Ende September/Anfang Oktober fand in Berlin der 32. Jahreskongress der Europäischen Gesellschaft für Intensivmedizin (ESICM) statt. Hier stellen wir Beiträge österreichischer Autoren bzw. mit österreichischer Beteiligung vor, die in Berlin präsentiert wurden.

Frühmarker für Sepsis nach elektiven herzchirurgischen Eingriffen

Eine frühzeitige Diagnose einer Sepsis beeinflusst das Patienten-Outcome, allerdings gibt es gibt nur ungenügende Hinweise auf Frühmarker, beispielsweise nach elektiven herzchirurgischen Eingriffen an der Herz-Lungen-Maschine (HLM). Ein Wiener Autorenteam1 (Universitätsklinik für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie, Medizinische Universität Wien) bestimmte perioperativ den Verlauf von Sepsis-Markern wie Interleukin-6 (IL-6), Procalcitonin (PCT) und CRP, und präsentierte erste Ergebnisse am ESICM in Berlin.

In die prospektive Studie wurden 100 PatientInnen mit Operationen an der HLM aufgenommen. Von 96 Patientinnen und Patienten (medianes Alter: 67,4 Jahre) konnten die Daten ausgewertet werden. 8,3 Prozent (n=8) der Operierten entwickelten eine postoperative Sepsis, die nach den aktuellen Sepsis-3 Leitlinien diagnostiziert wurde. Dies verlängerte die ICU-Aufenthaltsdauer im Median von 2,5 auf 8,1 Tage.

Im Rahmen der Studie wurden IL-6- und PCT zeitgleich zu 19 unterschiedlichen Zeitpunkten (davon 9-mal unmittelbar während und nach HLM) bis zum 10. postoperativen Tag (POD) erhoben. CRP wurde vom POD 1 bis 10 erhoben. Es wurden die Werte in beiden Gruppen, Patientinnen und Patienten mit und ohne Sepsis, verglichen.

Die IL-6 Werte stiegen in beiden Gruppen während und nach der Operation kontinuierlich an und erreichten ein Plateau nach zwei bis sechs Stunden bis zum POD 1. Bereits vier Stunden nach der Operation zeigte sich ein signifikanter Unterschied in den IL-6-Spiegeln: median 393,9 pg/ml in der Gruppe mit Sepsis, 164,70 pg/ml in der Gruppe ohne Sepsis (P=0,0374). Die PCT-Spiegel begannen ab vier Stunden nach dem Eingriff zu steigen und erreichten einen Gipfel am POD 1 (median 1,91 ng/ml in der Sepsis-Gruppe versus 0,37 ng/ml in der Vergleichsgrupp; P=0,0066). Die medianen CRP-Konzentrationen erreichten erst am POD 3 einen Gipfel in beiden Gruppen, zeigten aber keinen statistisch signifikanten Unterschied.

Die Autoren schlossen, dass zwar ein früherer Anstieg der IL-6-Werte bei Patienten mit später auftretender postoperativer Sepsis registriert wurde, allerdings aufgrund der raschen Spiegel-Veränderungen und der großen interindividuellen Unterschiede IL-6 kaum als Marker für eine routinemäßige klinische Diagnostik anwendbar ist.

Verbesserter Gasaustausch und Lungenbelüftung mit flusskontrollierter Beatmung (FCV) – Experimentelle Studie

Eine durch die künstliche Beatmung verursachte Lungenschädigung stellt einen signifikanten Faktor für die Morbidität und Mortalität von Patienten dar. Die flusskontrollierte Beatmung (flow-controlled ventilation; FCV) ist eine neue Methode, die während des gesamten Beatmungszyklus einen konstanten Atemgasfluss gewährleistet. Dadurch kommt es zu langsamen und stetigen intrapulmonalen Druckänderungen sowohl während der Inspiration als auch Exspiration, wodurch die applizierte Energie minimiert und Lungenschäden reduziert werden können.

Ein Innsbrucker Autorenteam2 hat in einer experimentellen Studie am Tiermodell (Schwein) die Auswirkungen von FCV im Vergleich zu einer standardmäßigen druckkontrollierten (pressure-controlled ventilation; PCV) Beatmung untersucht. Dies erfolgte an insgesamt 12 Tieren (je sechs randomisiert einer Gruppe zugeteilt) über einen Untersuchungszeitraum von 10 Stunden mit einer abschließenden computertomographischen Bildgebung zur Quantifizierung der Lungenbelüftung.

Die Tiere in der FCV-Gruppe zeigten ein signifikant geringeres respiratorisches Minutenvolumen, um eine ausreichende CO2-Elimination zu gewährleisten (6,0 +/- 0,5 vs. 12,7 +/- 0,8 l/min; p<0,0001) bei gleichzeitig signifikant besserer Oxygenierung (paO2 = 120 +/- 6,1 vs. 96,6 +/- 7,4 mmHG, p=0,0097) und signifikant höherem Anteil an normal belüfteten Lungengewebe (73,7 +/- 3,9 vs. 68,1 +/- 5,1 %; p=0,0068).

Plasma I-FABP-Werte bei Intensivpatienten

Das intestinale Fettsäuren-bindende Protein I-FABP ist ein Zellplasma-Protein das hauptsächlich in den Epithelzellen des Dünndarms vorkommt und bei nekrotischen Prozessen in den Kreislauf gelangt. Die Konzentrationen verändern sich parallel zu den Schädigungen der betroffenen Zellen.

Eine internationale Studiengruppe3 hat bei 224 Intensivpatienten (median 66,5 Jahre alt, median APACHE II, IQR 11-23, 28-Tage-Mortalität: 10,3 Prozent) die Dynamik der I-FABP-Spiegel gemessen. Median lagend die Konzentrationen bei 903 pg/ml, höher bei den Überlebenden (963 pg/ml) als bei den Nichtüberlebenden (502 pg/ml). Am höchsten waren die I-FABP-Plasmaspiegel am Tag der Aufnahme in die Intensivstation (bei 69 Prozent der Patienten). Ab Tag 2 sanken sie zumeist wieder ab. Bei Patienten nach gastrointestinalen Eingriffen und mit Sepsis waren die gemessenen I-FABP-Werte jeweils geringer als bei den anderen Patienten. Dies widerspricht den Beobachtungen in anderen Untersuchungen.

Ultraschall zur Messung der subkutanen Fettmasse

Die Bestimmung der Fläche fettartigen Gewebes im Bereich des dritten Lendenwirbels (CT L3) per Computertomografie ist der derzeitige Gold-Standard in der Bestimmung der Fettmasse. Ein Wiener Autorenteam4 hat bei 119 Patienten ohne lebensbedrohliche Erkrankung, welche eine CT-Untersuchung des Abdomens benötigten, die dabei erhobenen Werte mit Ultraschall-Untersuchungen (am Oberarm und am Oberschenkel) bezüglich ihrer Aussagekraft verglichen.

Bei den Patienten (79 Männer und 40 Frauen mit einem medianen Alter von 61 Jahren) wurde die Dicke des Fettgewebes an zwei Punkten der Oberarme und an drei Punkten jedes Oberschenkels per Ultraschall gemessen. Erhoben wurde auch die Länge der Gliedmaßen. Die mediane Dicke des Fettgewebes am Oberarm sagte die Messung per CT L3 (r2=0,69) besser vorher als die Werte, die am Oberschenkel erhoben wurden (r2=0,54). Aussagekräftig war das aber nur für das subkutane Fettgewebe, nicht für das viszerale Fettgewebe.

Albumin-Dialyse bei Patienten mit akutem sekundären Leberversagen

Die frühe Einleitung einer Albumin-Dialyse (MARS(r))-System kann bei Patienten mit schwerem sekundären Leberversagen (Hypoxic Liver Injury; HLI) zu einer signifikanten Verbesserung der Leberfunktion führen. Dies hat eine randomisierte, kontrollierte Studie eines deutsch-österreichischen Autorenteams5 ergeben.

In die Studie wurden 40 Patienten aufgenommen (Aminotransferase-Spiegel größer dem 40-Fachen der Normalwerte) in kritischem Zustand bei sekundärem Leberversagen zwei Gruppen zugeteilt: 20 erhielten jeweils vier Behandlungen einer Albumin-Dialyse per molekularem Adsorbent-System (MARS(r)), die andere Hälfte erhielt eine Standardbehandlung. Als primärer Endpunkt wurde der Unterschied in der Indocyanin Plasma Disappearance Rate (PCG-PDR) gewählt, die einen unabhängigen Prädiktor für die Mortalität bei solchen Patienten darstellt.

Die Patienten aus der MARS-Gruppe hatten am Tag 7 siginifikant höhere mediane ICG-PDR-Werte (17,75%/min versus 6,3% min; p<0,05). Die Patienten unter Standardtherapie zeigten eine 90-Tages-Mortalität von 63 Prozent, jene der MARS-Gruppe eine Mortalität von 40 Prozent. Dieser Unterschied war aber statistisch nicht signifikant. Signifikant höher war bei den Patienten mit MARS-Therapie auch die Zahl der Tage ohne notwendige Behandlung mit Vasopressoren (24 von 28 Tage).


Quellen:

1ESICM Abstracts 2019, Puchinger et al. Time response of perioperative sepsis markers in a close-meshed investigation in elective cardiac surgical patients.

2ESICM Abstracts 2019, Spraider et al. Improved gas exchange and lung aeration in flow-controlled ventilation (FCV) compared to pressure-controlled ventilation (PCV) – A prospective, randomized porcine study. Intensive Care Medicine Experimental 2019, 7(Suppl 3):000726.

3ESICM Abstracts 2019, Padar et al. Plasma I-FABP dynamics in intensive care patients.

4ESICM Abstracts 2019, Fischer et al. Validation of ultrasound subcutaneous fat thickness in comparison to L3 subcutaneous and visceral fat area in computed tomography in 119 non-ICU patients: the prospective USVALID study. Intensive Care Medicine Experimental 2019, 7(Suppl 3):001358.

5ESICM Abstracts 2019, Fuhrmann et al. Treatment of hypoxic liver failure using molecular adsorbent recirculating system (MARS®) – a randomized controlled study. Intensive Care Medicine Experimental 2019, 7(Suppl 3):001431