Vom 17. bis 19. Jänner fand in Berlin die Arbeitstagung NeuroIntensivMedizin (ANIM) statt, ein Kongress der Deutschen Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin (DGNI) und der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG). Wie jedes Jahr widmet sich die ANIM den wissenschaftlichen Fortschritten und der Fortbildung aller in der Neurointensivmedizin tätigen Berufsgruppen. Dabei wurden auch heuer wieder umfassend aktuelle klinische Studien vorgestellt – darunter auch zwei österreichische Arbeiten, die wir hier für Sie zusammenfassen.

Prädiktive Faktoren für posttraumatischen Hydrozephalus

Florian Giesriegl präsentierte die Ergebnisse seiner an der MedUni Graz verfassten Diplomarbeit. Er hat prädiktive Faktoren erfasst, die zu einem posttraumatischen Hydrozephalus führen können, und zwar nach einem schweren Schädel-Hirn-Trauma mit diagnostiziertem Glasgow Coma Score (GCS) 3-8. Dazu wurden 135 Patienten (35 Frauen, 100 Männer) mit schwerem Schädel-Hirntrauma am LKH-Universitätsklinikum Graz in der Abteilung für Neurochirurgie untersucht. Von den 135 Patienten entwickelten 14 (10,4 Prozent) einen posttraumatischen Hydrozephalus. Beim Exakte-Fisher-Test zeigte eine statistische Signifikanz (p 0.037), dass eine prätraumatisch eingenommene Gerinnungsmedikation wie Thrombo ASS (Acetylsalicylsäure) die Entwicklung eines posttraumatischen Hydrozephalus beeinflusst. Die Odds-Ratio diesbezüglich wurde mit 6.327 berechnet: Die Wahrscheinlichkeit, mit Thrombo ASS einen posttraumatischen Hydrozephalus zu bekommen, ist also 6.327 Mal höher als ohne Thrombo ASS. Für genauere Aussagen sind allerdings Folgestudien mit einer höheren Patientenanzahl notwendig.

Die Studie ging von der Hypothese aus, dass prätraumatisch eingenommene Antikoagulantien zu vermehrten Blutungen im Bereich des Ventrikelsystems führen können. Dies könnte zu einer Stauung des Liquors mit Verschluss und zur Ausprägung eines Hydrozephalus beitragen.

GM1-positives Überlappungssyndrom mit Rhombencephalitis, zervikaler Myelitis und ayonaler motorischer Polyneuropathie

Einen besonderen Fall präsentierten OA Dr. Elmar Höfner und Univ.-Prof. Dr. Jörg R. Weber von der Neurologischen Intensivstation der Abteilung für Neurologie, Klinikum Klagenfurt:

Ein 40-jähriger Patient wurde in die Neurologie zur Konsiliarvorstellung gebracht: Er litt an Fieber, Harnverhaltung, Verwirrtheit und Somnolenz. Sein Liquor betrug ZZ 147/µl (85 Prozent Lymphozyten), das Protein 83,6 mg/dl. Das initiale MRT zeigte keine Auffälligkeiten. Sein Zustand verschlechterte sich schnell drastisch: Er bekam Dysphagie, Aspiration und respiratorische Insuffizienz, musste schließlich intubiert und in die Intensivstation gebracht werden. Molekulargenetische Tests konnten den Zustand nicht erklären: Es ließen sich keine Erreger nachweisen, die Liquorkulturen waren bland. Der Patient hatte zwar eine Vorgeschichte mit Keimzellentumor, aber es zirkulierten keine antineuronalen Antikörper. Inzwischen kam es bereits zu Tetraplegie und zu aufsteigendem Reflexverlust des Patienten. Eine Verlaufs-MRT nach einer Woche zeigte schließlich eine Signalanhebung periventrikulär um den vierten Ventrikel und eine zentrale Signalanhebung im zervikalen Myelon. Eine Liquor-Kontrollpunktion ergab ZZ 6/µl, Protein 101,7 mg/dl. Schließlich wurden Anti-Gangliosid-Antikörper im Liquor getestet, weil der Verdacht auf Bickerstaff-Encephalitis bestand. Das Ergebnis: GD1b und GQ1b waren negativ, aber die GM1-Antiköper waren stark positiv (IgM, IgG). Das ärztliche Team setzte auf eine Therapie mit Hochdosis-Methylprednisolon und anschließend intravenösen Immunglobulinen. Innerhalb weniger Tage war eine erste Besserung der Motorik zu beobachten. Nach einem Weaning vom Respirator war schließlich eine Elektromyographie möglich. Dabei zeichnete sich eine akute motorische axonale Neuropathie (AMAN) ab. Im Liquor stieg das Protein auf 284 mg/dl (ZZ 7/µl) an. Der Patient konnte allmählich von den Kanülen entwöhnt werden, trotz intensiver Rehabilitation ist er aber auch sechs Monate nach Krankheitsbeginn noch schwer beeinträchtigt. Sein Zustand ist mit 15 Punkten auf dem Barthel-Index einzustufen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass hier ein Anti-Gangliosid-Antikörper-Syndrom mit Symptomen mehrerer definierter Krankheitsbilder vorliegen dürfte. Der Patient hat Merkmale einer Bickerstaff-Encephalitis, eines Miller- Fischer-Syndroms und einer akuten motorischen axonalen Neuropathie. Prognostisch scheint in diesem Fall ein ungünstiger Verlauf vorzuliegen. (Blogredaktion)